„Wir gehen gewöhnlich nicht in eine Ausstellung, um Leute zu betrachten, schon gar nicht solche Leute, die ihrerseits Bilder betrachten“, glaubt Hans Belting. Das schrieb er in den 90er Jahren des vergangenen Jahrtausends, als gerade Thomas Struths „Museum Photographs“ in der Hamburger Kunsthalle gezeigt wurden. Struths Thema sind Bild und Betrachter in der Museumsarchitektur, als Tableaux vivants sammelt er sie im Zyklus der Museumsbilder. Einzelauftritte von Museumsbesuchern sind bei ihm eine Seltenheit. Und wenn doch einmal der seltene Fall eintritt, dann sieht man etwa den Fotografen selbst im Dialog mit dem Selbstportrait Dürers in der Alten Pinakothek.
20 Jahre und eine Fotosharingcommunity-App später wird man von eben dieser in die örtlichen Museen geschickt, um Fotos von Menschen in Interaktion mit der Kunst für das Weekend Hashtag Project zu machen, auf instagram hochzuladen und mit dem Hashtag #whpartwatching zu versehen. So ungewöhnlich ist das Unterfangen von Struth also nicht mehr, die Parameter haben sich nur etwas verschoben: Handykamera statt Großformat, instagram statt Museum und irgendwie Dilettantismus im Goetheschen und Schillerschen Sinn statt Düsseldorfer Schule. Das dazugehörige Hashtag auf instagram lautet #artwatchers.
Wir waren letzte Woche in Paris, wussten in den uns gut bekannten Museen mit ihren Sammlungen nicht recht etwas mit uns anzufangen, da sonderausstellungstechnisch nicht viel los ist zu dieser Jahreszeit – sieht man einmal von der Raymond Depardon Ausstellung im Grand Palais ab (das Jeu de Paume und der Palais de Tokyo waren wegen Umbauarbeiten sogar ganz geschlossen, das Musée de l’Orangerie halb geräumt und im Wartemodus auf die Frida Kahlo / Diego Rivera Ausstellung) – und so warteten wir auf die Auftritte der Betrachter.