Unter dem Stichwort Aufgelesen versammeln wir Fundstücke aus dem Netz. Leseempfehlungen sowie Kurioses über Kunst und fern der Kunst findet hier seinen Platz.
Männerfantasien: Erst Alphamännchen in der Urhorde, dann das Patriarchat, das die Moderne bestimmt. Und selbst wenn es darum geht, von der Zeit zu erzählen, die mit Staat und Patriarchat Schluss machen will, erzählen vor allem die Männer. Zum Beispiel, wenn Buchpreisträger Frank Witzel mit dem Historiker Philipp Felsch spricht. Es soll um die finsteren, unheimlichen Seiten der frühen Bundesrepublik gehen, ums BRD Noir. Das Gespräch ist vor einigen Monaten als Buch erschienen. Nur:
Frauen sind abwesend. Also fast. Auf Seite 11 erscheint eine „Serviertochter“ (bayerisch), die Eduard Zimmermann gezeugt habe (unehelich). Auf Seite 32 raucht eine Frau von der Caritas eine Kim. Es gibt eine Frau bei Edeka, die Männer verführt. Erwähnt wird JFKs gestörte Schwester Rosemary anlässlich ihrer Lobotomie.
Boys will be boys, schreibt Susanne Mayer bei Zeit Online und wundert sich doch, dass Frauen in dem „Jungsgespräch über die alte Bundesrepublik“ (Jürgen Kaube in der FAS) fast nicht vorkommen.
Eine andere Geschichte, in der Frauen nur als Randfiguren auftauchen, ist die Biographie von Donald Trump. In der NZZ ist nachzulesen, wie er wurde, was er ist (Spoiler: ein Darlehen seines Vaters spielte eine nicht unerhebliche Rolle). The Donald, wie er in den US-amerikanischen Medien genannt wird, sieht sich selbst vermutlich als Alphamännchen und weniger als Ästhet. Am liebsten trägt er Anzüge von Brioni, die ihm aber nicht besonders gut passen, wie Luke Leitch erklärt. Im Economist schreibt Leitch, warum die Anzüge des Präsidentschaftskandidaten das Ende des Anzugs bedeuten – könnten:
Down on his southern borders Trump has built himself a collection of pants whose cut is as disturbing as the Great Wall of Mexico. It is as expansive as his demeanour, as loose as his tax arrangements, as unstructured as his policies and as overlong as his fits of pique with anyone who criticises him.
Nun ist es ziemlich billig, zu schließen, schlechter Geschmack und schlechte Politik würden einander bedingen. Aber ein Verdacht bleibt doch. Besonders, wenn man sich Trumps New Yorker Wohnung ansieht (eingerichtet Mitte der 1980er). Das ist im Architectural Digest nachzulesen: Donald Trump’s 1985 Apartment Looks Exactly How You’d Imagine It.
Was macht eigentlich den diskreten Charme von Angela Merkel aus? Wer sich diese Frage noch nie gestellt hat, dem sei das Interview empfohlen, das Joachim Bessing mit Heinz Bude für 032c geführt hat. Der Schriftsteller und Journalist spricht mit dem Soziologen über Helmut Kohl, Yoga, und darüber, warum Männer wie traurige Geheimagenten sind, deren Auftraggeberland nicht mehr existiert (das ist übrigens ein Zitat von Clemens Setz).
Und wer sich in der letzten Zeit gefragt hat, was bitte mit den Künstlern los ist, die heute politische Kunst machen und beispielsweise Flüchtlinge Tigern zum Fraß vorwerfen wollten, der fand bei Kia Vahland in der Süddeutschen Zeitung unter dem Titel Erlösung eine ziemlich gute Antwort:
Was also, wenn die Sache komplizierter ist. Wenn die Politkünstler so moralisch tun, weil wir, die Zuschauerinnen und Zuschauer, dies so wollen. Und ihnen deswegen zugucken, zuhören, uns an- oder aufregen lassen. (…) Die Aktivisten handeln an unserer statt, oder tun zumindest so als ob. So entlasten sie uns, befreien uns mit ihrem tönenden Symbolismus von der Notwendigkeit, politisch zielführend zu agieren. (…) Die Macher bieten Servicekunst, sie verkaufen ein gutes Gewissen so wie die Teebeutelhersteller, die ihre Produkte mit aufgedruckten Lebensweisheiten an die Leute bringen.
Es gibt sie trotz allem noch, die schönen Geschichten. Klaus Unger erinnert sich im Feuilleton der Welt, dass Bov Bjerg immer einer dieser Durchwurstler war und plötzlich ist er Bestsellerautor. Unger hat die Erfolgsgeschichte ganz rührend aufgeschrieben, die Geschichte seines Freundes, der zwar immer irgendwie einen Roman schrieb, ihn aber nicht zu Papier bringen konnte und plötzlich ein Buch fertig hatte, mit dem so eigentlich niemand gerechnet hat. Und Bov Bjerg, der findet diesen Erfolg und den Rummel um Auerhaus anstrengend und zumindest „ein bisschen gut“.
Schön und lustig aufgeschrieben für Zeit Online hat David Hugendick, dass all die drolligen Pokémon nicht ganz so drollig sind, wie sie scheinen.
Der Pokedex liest sich zuweilen wie ein Erziehungsroman, den sich Ludwig Tieck und die Typen ausgedacht haben könnten, die in Gartenlauben Marienkäfer anzünden, weil das so schön brutzelt. Zum Pony Ponita heißt es: ‚Nach seiner Geburt ist Ponita so schwach, dass es kaum von alleine aufstehen kann. Dieses Pokémon wird dadurch schnell stärker, dass es sich beim Versuch, mit seinen Eltern Schritt zu halten, immer wieder aufrappeln muss.‘ Was müssen das für Eltern sein! Ist das schon struwwelpetrige schwarze Pädagogik?“
Wenn es um Pokémon Go geht, fragt sich Werner Herzog im Interview mit The Verge:
„When two persons in search of a pokémon clash at the corner of Sunset and San Vicente is there violence? Is there murder?
They do fight, virtually.
Physically, do they fight?
No—
Do they bite each other’s hands? Do they punch each other?“
Lustig zu lesen war übrigens auch, dass Kanye West mit IKEA arbeiten wollte, das heißt: Möbel entwerfen. IKEA fand das so lustig, dass auf Facebook als Antwort gepostet wurde: „Hej Kanye, we’d love to see what you’d create…we could make you famous!“ In der Zwischenzeit hat sich auch die Familie Kardashian ein wenig Gedanken über Kunst und Fame gemacht. Es ging in einem Gespräch um den berühmten Architekten „Le Courvoisier“ – äh?! – , über dessen Buch Kris Jenner und Chloe Kardashian aufgeregt diskutierten. (Das Video zur Diskussion gibt es beim dezeen magazine zu sehen.)
Kris Jenner: „You know I’m obsessed with books now. I’m reading a book about Le Courvoisier, which is an architect. It’s so weird and boring, but I’m obsessed.“
Khloe Kardashian: „No you’re not, and you’re not reading that book. It’s not a real book.“
Kris Jenner: „It has words, big words.“
Khloe Kardashian: „Oh, this building was erected in 19-whatever?“
Kris Jenner: „Yeah, it’s called history.“
Khloe Kardashian: „That’s a coffee table book.“
Wissender ging es bei Werner Herzog zu, der etwas über das Video zu Famous von Kanye West zu sagen hatte, um genau zu sein, er lieferte eine detaillierte Analyse:
Titelbild: Kim und Kanye aus Kanye Wests Videoclip zu Famous