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Aufgelesen 2015.1: Emojis, Mandarinen und Leere

Unter dem Stichwort Aufgelesen versammeln wir Fundstücke aus dem Netz. Leseempfehlungen sowie Kurioses über Kunst und fern der Kunst findet hier seinen Platz.

 

Wenn Menschen auf einen Facebook-Account oder ein Smartphone verzichten, möchten sie das der Welt so oft wie möglich mitteilen. Manche machen auch mehr oder weniger lustige Kunst über soziale Medien. Manches davon reimt sich sogar. Dazeddigital hat ein „Worst of“ dieser Arbeiten zusammengestellt.

Wer die Nummer anruft, die überall in Köln plakatiert ist, wird ganz bestimmt anschließend von der NSA überwacht. Wir werden das Gefühl nicht los, dass uns Christian Sievers mit seiner Arbeit „Wir haben keine Angst“ in Köln etwas sagen möchte.

Dazu passend: Der Begriff Smombie, ein Hybrid aus Smartphone und Zombie, ist zum Jugendwort des Jahres gewählt worden. Ob wirklich jemals jemand dieses Wort auf den Schulhöfen der BRD gehört hat, sei mal dahingestellt. Aber es gibt Menschen, die sich vorstellen, wie Jugendliche reden: voilà, die greise Jugendsprache. Das beste Anschauungsmaterial dafür bietet Bento. Steht zumindest im Kaput-Mag. Das Wort des Jahres derweil ist kein Wort, sondern ein Emoji, hat das Oxford Dictionary entschieden.

Um bei avancierter Popkritik zu bleiben: Nachdem man glaubte, Diedrich Diederichsen hätte alles über Popmusik gesagt, rezensiert er jetzt für die Süddeutsche einen Dokumentarfilm über Kurt Cobain: „Montage of Heck.“ Dabei zieht er Linien von Punk zur Malerei der Jungen Wilden, nothing less.

Tilman Rammstedt schreibt einen Roman. Das ist sein Job. Neu ist aber, dass man ihm dabei zusehen kann. Mit dieser Ausweitung der sozialen Kontrolle bekommt man als Abonnent nämlich täglich zu sehen, was der Autor geschrieben hat. Der Kommentar von Verleger Jo Lendle im „loading-Fragebogen“ von Dirk von Gehlen dazu: „Am 11. Januar beginnt Tilman Rammstedt zu schreiben. Dann gnade ihm Gott. Oder uns.“ Der Text wird allerdings vor der Publikation immer lektoriert werden, wie wiederum literaturcafe.de im Gespräch mit Lendle herausgefunden hat.

In London gibt es vermehrt eine besondere Art der Defensivarchitektur. Gegen Obdachlose. Viel Metall, damit man sich nicht mehr hinlegen kann. Hyperallergic hat ein paar Beispiele gesammelt.

Über Paris wurde in den letzten Tagen viel geschrieben, das besser nicht einmal gedacht worden wäre. Matthias Matussek schockierte auf Facebook mit einem Kommentar zu den Anschlägen am 13. November in Paris, die Welt setzte ihn nach einem Eklat bei einer Redaktionskonferenz vor die Tür, und die TAZ sagt dazu: „Die Welt hat also einen originalen Matussek bekommen. Genau das Produkt, das sie bestellt hatte. (…) Denn nicht Matussek ist defekt, sondern die Auswahl war es.“ Die Fotografen der Agentur Magnum waren vor Ort und haben die Ereignisse dokumentiert, während der französische Illustrator Jean Jullien noch am Abend der Anschläge ein Zeichen für den Frieden geschaffen hat, das millionenfach in den sozialen Netzwerken geteilt wurde. Slate hat mit ihm gesprochen: „Had you noticed the similarity between the peace sign and the Eiffel Tower before? No, it was just me trying to combine two thoughts – Paris and peace. And somehow graphically it seemed to work.“

Der Magnum-Fotograf Thomas Höpker auf der Paris Photo 2015. Am Freitag, den 13. November dokumentierten andere Fotografen der Agentur die Anschläge in Paris.

Die Welt hat noch mehr Reaktionen in den sozialen Medien gesammelt: Helge Schneider aß eine Mandarine und turnte durch sein Hotelzimmer, nachdem in Hannover seine Lesung abgesagt werden musste, und Paris Hilton bedankt sich laut eines Memes für #prayforparis. Unter der Überschrift „Generation Hashtag“ hat Christiane Peitz für den Tagesspiegel aufgeschrieben, dass politische Labels und Protestzeichen nicht neu seien: „Das Wir-Gefühl ist die Waffe der Machtlosen.“ S.P.O.N.-Kolumnistin Margarete Stokowski sagt zu all der Aufregerei in den sozialen Medien nicht weniger aufgeregt und gleichzeitig besonnen: „Einfach behutsam die Fresse halten, wie eine Yogaübung oder so.“ Der Schweizer Schriftsteller Jürg Halter reiste Freitag zur Paris Photo, Samstagmorgen reiste er sofort wieder ab; in der Aargauer Zeitung fragt er mit einem unbestimmten Gefühl im Bauch: „Ab wann ist man traumatisiert?“ Anika hat für das Monopol Magazin aufgeschrieben, wie die Pariser Kunstwelt auf den Terror reagiert, denn nicht nur die Paris Photo wurde vorzeitig geschlossen. Über sieben Tage später ist der Louvre immer noch sehr leer, das zeigt Hyperallergic.

Einen Tag vor den Anschlägen in Paris wurde das Musée Rodin nach längerer Renovierungsphase wieder eröffnet. Der Eintritt war frei. Die Menschen standen Schlange.

 

Fotos: Anika Meier

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