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2016.2: Kunst für Reiche, Twitter-Follower für Gott, Auberginen für alle

Unter dem Stichwort Aufgelesen versammeln wir Fundstücke aus dem Netz. Leseempfehlungen sowie Kurioses über Kunst und fern der Kunst findet hier seinen Platz.

 

David Bowie und Trauer, David Bowie und Trauer und David Bowie und Trauer, so könnte man die vergangene Woche zusammen fassen. Viel wurde über den verstorbenen Musiker geschrieben oder an Texten und Videos einfach nur wieder ausgegraben und geteilt. Bevor David Bowie starb, folgte er übrigens noch schnell Gott auf Twitter, wem sonst? Zu erreichen unter @TheTweetofGod. Es wurde auch noch einmal erzählt, warum Bowie zwei unterschiedliche Augen hatte: 1962 ging es in einer Streiterei um ein Mädchen, George Underwood schlug den späteren Musiker mit der Faust ins Gesicht und verletzte sein linkes Auge ungeschickt mit seinem Fingernagel. Die Folge:

When a person with typical, uninjured eyes stumbles into light, of course, their pupils contract and become smaller, showing more of their iris. In darkness, the pupils expand and do the opposite to allow as much light in as possible so you can get into bed without tripping over an errant object on the floor. In Bowie’s case, his left pupil remained permanently expanded, leading to his famous pair of blue and black eyes.

Ein paar Worte über David Bowie hat auch Henry Rollins verloren. Auf seiner aktuellen Tour erfuhr er vom Tod des Musikers, dem er einmal während eines Festivals vor vielleicht 20 Jahren begegnet war. Rollins selbst war zu schüchtern ihn anzusprechen:

It was almost 20 years ago. We were both playing the same festival. I saw him walking alone. I just stood there, awed that there was the man himself. I didn’t say a word.

He stopped and looked at me. “Rollins!”

“David!” I replied, as I walked over to him and stuck out my hand.

He asked me if I had eaten lunch yet. I said no. He recommended that we do that. As we walked, he told me that he really liked this thing I had said in a recent interview he read and proceeded to quote several sentences of it. Then he quoted me from a different interview from a year before. He asked when my next book was coming out. I was speechless but managed to answer. Bowie told me that he had read a few of them. I have no proof of this, but I am happy to take him at his word.

Es gibt übrigens eine Website, die Antwort auf die Frage: What did David Bowie do at your age gibt? Einfach das Alter eintippen.

Auf Instagram gab es am 10. Januar wohl kaum jemanden, der nicht mindestens einen Post David Bowie widmete. Nur die Hunde und Katzen wussten wohl nicht recht, wie ihnen geschah …

This week’s #featurefriday is a David Bowie tribute from outta space 🚀

A photo posted by Animal Buzz (@animalbuzz) on

Nur vier Tage nach David Bowie verstarb der Schauspieler Alan Rickman. Im Februar 2013 gab es eine Simpsons Folge mit Alan Rickman in seiner Harry Potter-Rolle als Severus Snape, von David Bowie läuft in dieser Szene All the Young Dudes. Ausgegraben von der Huffington Post. 

Glaubt man dem Internet, hat sich Emma Watson mit einem Tweet zum Tod von Alan Rickman mehr um die eigenen Interessen, als um den verstorbenen Kollegen gekümmert. Wenige Tage zuvor noch war sie der Liebling der Medien. Sie hat nämlich gerade den virtuellen feministischen Buchclub Our Shared Shelf gegründet, der rasch 30.000 Mitglieder zählte. Derweil warten wir darauf, dass Lena Dunham nachzieht.

Dass Feminismus im Internet das große Ding ist, ist Bento aufgefallen. Ihr Beispiel: die @Teenslut_Girlgang auf Instagram:

Frauen wie Alexis und Bella von Teenslut_Girlgang sind Onlinekünstlerinnen, die sich mit Graphic Design, Neunzigerjahre-Ästhetik und Rebellion im Internet beschäftigen. Mit ihren provokanten Fotos stellen sie eine Anti-Bewegung gegen Beauty-Accounts dar, die in der Regel von makellosen Bloggerinnen geführt werden. Diese sind vor allem dafür bekannt, ihre unnatürlich stark geschminkten Gesichter nach der erfolgreich absolvierten 90-Tage-Fitness-Challenge ins Netz zu posten.

Porno oder Kunst? Mit dieser Frage beschäftigt sich eine Dokumentation. Über die vierte Welle des Feminismus in der zeitgenössischen Kunst gibt es nämlich eine Dokumentation: The F Word von Robert Adanto.

Hier ist der Trailer zur Dokumentation:

Ein bisschen süß ist ein Beitrag vom SWR3, der darüber aufklärt, was Emojis wirklich bedeuten. Also, Emojis wie Auberginen und Pfirsiche. Wer es nicht weiß, der lese es hier nach.

Von der Aubergine ist es nicht weit zu aufgeblasenen Ballons, aus denen sich wunderbar Meisterwerke der Kunstgeschichte nachbasteln lassen. Das macht die Ballonbastelkünstlergruppe Arigami, wie artnet zeigt, mit Botticello, Vermeer, Cézanne, Warhol uvm.

Kunst spielen ist total angesagt gerade. Vielleicht. Oder auch nicht. Wie dem auch sei. Man muss ja nicht gleich immer selbst Kunst schaffen, man kann sich auch einfach als Kunstwerk verkleiden. Stichwort Hashtag #VanGoYourself. Das Blog MusErMeKu kann der Spielerei wenig abgewinnen, und das liegt nicht nur an den Tassen, die man im Shop zum Projekt bedrucken lassen kann.

Berufskünstler finden es irgendwann langweilig, Kunst zu machen. Marcel Duchamp zum Beispiel hat irgendwann beschlossen, nur noch Schach zu spielen. Die meisten kennen wahrscheinlich die Fotos von Duchamp aus den 1960ern, wie er (im Anzug) mit der Schriftstellerin Eve Babitz (nackt) Schach spielt. Der Fotograf Julian Wasser hat die beiden anlässlich von Duchamps erster Retrospektive in Los Angeles dabei fotografiert, für das Juxtapoz-Magazin erinnert er sich daran. Man muss vielleicht nicht unbedingt nackt sein oder Schach spielen, um im Kunstbetrieb erfolgreich zu sein. Aber Ben Davis stellt die Frage: „Do you have to be Rich to be an Artist?“ Muss man nicht, aber es hilft. Denn nicht nur Rachel Rose (unten) und Dash Snow, der verstorbene Homie von Ryan McGinley kommen aus reichen Familien. Auch Yoko Ono, Fluxus-Superstar, hat ein großzügiges Vermögen im Rücken, denn ihr Großvater war Chef einer großen japanischen Bank.

Der Historiker und Kulturwissenschaftler Philipp Felsch hat in diesem Jahr ein Buch geschrieben, das den Titel “Der lange Sommer der Theorie” trägt. Der Sommer der Theorie begann 1966, vor 50 Jahren also, und endete 1990. Auch wenn wir uns nicht daran erinnern können, sind wir uns ziemlich sicher, dass es dazwischen auch ein paar kalte Winter gab. Aber egal, Felsch hat auch einen amüsanten Artikel für die FAZ geschrieben. Dort rezensiert er die kürzlich erschienenen Jugendschriften Friedrich Kittlers, der in den 1960ern lieber am Baggersee als im Adorno-Seminar abhing. Und vielleicht fing der Sommer der Theorie zumindest in Deutschland an einem Badestrand an.

Bald stehen ja auch wieder die Academy-Awards an. Und man kann sich (mal wieder) fragen, warum die Liste der Nominierten so weiß ist. Man kann sich aber auch fragen, ob Filmrollen von Schauspielern mit der korrekten Hautfarbe und dem richtigen Geschlecht gespielt werden sollten. Zum Beispiel, wenn Eddie Redmayne eine transsexuelle Frau spielt, überlegt Trey Taylor für die Dazed, ob das in Ordnung ist.

Eddie Redmayne in "The Danish Girl"

Eddie Redmayne in „The Danish Girl“

Für Kindheitsnostalgiker und für Leute, die gar nicht wissen, was eine Floppy-Disk ist, gibt es jetzt ein Online-Archiv der bedrohten Klänge. Wer also wissen will, wie sich Windows95 angehört hat, oder welche Geräusche eine Schreibmaschine gemacht hat, kann sich dort weiterbilden.

Der Filmschauspieler Jerry Lewis hat seine Socken nach einmaligen Tragen weggeworfen. Das ist eine bemerkenswerte Angewohnheit, die aber nicht so viele Fragen aufwirft, wie das Interesse der Kulturindustrie am Faschismus. Jetzt hat die BBC eine Dokumentation über Jerry Lewis‘ unveröffentlichten Holocaust-Film gemacht (unten).

In den Bahnhofsbuchhandlungen findet man sie kaum noch: die sogenannten Landserheftchen. Schlecht geschrieben, billig massenproduziert, und vor allem: Ideologisch mehr als fragwürdig waren diese Groschenromane jahrzehntelang die Lieblingslektüre für Rechtsradikale. Dass die englischsprachige Popkultur – von Brian Jones über Sid Vicious bis Lemmy – eine Schwäche für Nazi-Memorabilia hat, ist bekannt. Den Gründen dafür geht Paul Gallagher nach.

Wir haben diesen Beitrag mit einem verstorbenen Musiker begonnen, und enden mit einem anderen verstorbenen Musiker. Der Sänger Achim Mentzel ist nämlich ebenfalls mit 69 gestorben. Die meisten kennen den Spreewaldgurkenliebhaber Mentzel, weil er mal von Oliver Kalkofe veralbert wurde. Aber das Interview mit Plastic Bomb zeigt: Der Schlagerstar hat auch unter Punkern viel Credibility genossen und das zu Recht.

 

 

 

 

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