Als Material in provokanten Arbeiten wie Hermann Nitschs Orgien-Mysterientheater oder Jana Sterbaks Kleidern bringt Fleisch exzessiv zur Darstellung, was sonst von Haut und Haar bedeckt wird, und dekonstruiert auf diese Weise materialsemantische Paradigmen. Als Objekt findet es seine motivische Ausarbeitung in den Stillleben von Rembrandt, Pieter Aertsen, Goya und Francis Bacon, wo die Farbe das Sterbliche wie Formalin zu konservieren scheint. Als Denkfigur spielt Fleisch sowohl in theologischen Vorstellungen wie der Inkarnation oder Eucharistie eine grundlegende Rolle als auch in philosophischen Überlegungen, beispielsweise bei Maurice Merleau-Ponty, der sich radikal von konventionellen Begriffsprägungen distanziert und zur Feststellung gelangt: „Die Welt ist Fleisch.“
Ob das Interesse am Fleisch daher rührt, dass es Projektionsfläche, farbig und formbar zugleich sein kann oder weil sich nach Claude Lévi-Strauss die Zivilisation gerade am Rohen, Gekochten und Verfaulten zeigt? Fleisch ist gewissermaßen wilder, archaischer als der Leib und lebendiger als der Körper. Es zieht die Lust auf sich und die Abscheu. Es lockt die Bestie an und den Gourmet. Es ist überdeterminiert und kann mit Ekel und Fetischisierung, kulturellen Praktiken und Grenzüberschreitungen konnotiert sein.
Uns interessiert die Thematik in ihrem gesamten Spektrum: von feministischen Ansätzen, wie in Valie Exports Performances, über bildtheoretische Begriffe, etwa den „Bildleib“ Theodor Hetzers, bis zu aktuellen Arbeiten eines Thomas Hirschhorn. Wie kann uns das Fleisch zum Verständnis ästhetischer Konzepte behilflich sein und welche theoretischen Ansätze können uns helfen, um es in seiner handfesten sowie metaphorologischer Bedeutung zu erfassen?
Der Call for Paper richtet sich an alle Studierenden der Kunstgeschichte und Kunstwissenschaften. Wir freuen uns neben Beiträgen zur inhaltlichen Ausrichtung ebenso über hochschulpolitische Themen, die mit einem eigenen Schwerpunkt im Programm vertreten sein sollen.
Alternativ zu Vorträgen (für die Dauer von 20-30 Minuten) sind ferner Ideen zu anderen Formaten – etwa Rundgänge, Workshops und Round Tables – willkommen. Orientiert an den Themenschwerpunkten wollen wir zudem die Möglichkeiten vor Ort nutzen und vor Originalen in Wiener Sammlungen, dem Historisch-Anatomischen-Institut oder auch der pathologischen Sammlung des sogenannten Narrenturms die wissenschaftsgeschichtlichen Facetten beleuchten. Die Publikation eines Tagungsbandes mit ausgewählten Beiträgen ist geplant.
Wir ersuchen um Zusendung eines Abstracts über etwa eine Seite sowie eines kurz gefassten akademischen Lebenslaufs bis 5. Oktober 2012 an: [email protected].
Weitere Informationen finden sich hier.