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CfP: 32. Deutscher Kunsthistorikertag 2013: „Ohne Grenzen“

Greifswald ist aufgrund seiner Lage wie seiner Geschichte prädestiniert als Ort der exemplarischen Reflexion über Grenzen. Bestimmt von einer Hansetradition weitgehend ohne nationale Schranken, mit einem vielfältigen kulturellen Austausch in der Ostseeregion und weit darüber hinaus, geprägt als Ort der Romantik und nicht zuletzt repräsentativ für eine spezifische Nachkriegsgeschichte, setzt der Tagungsort die inhaltlichen Schwerpunkte des Kongresses und gibt zugleich produktiven Anstoß, grundsätzlich über traditionelle thematische, geographische und methodische Grenzen des Faches Kunstgeschichte nachzudenken.

Georg Satzinger

Interessierte Kolleginnen und Kollegen sind herzlich aufgefordert, ihr Exposé (1–2 Seiten) an die Geschäftsstelle des VDK zu senden.

Die Auswahl der Vorschläge (pro Sektion sind fünf 30-minütige Vorträge möglich) nehmen die Sektionsleiter/-innen und die Vorstandsmitglieder in gemeinsamer Sitzung vor.

Einsendeschluss für Exposés: 14.05.2012.

Verband Deutscher Kunsthistoriker e.V.
Haus der Kultur
Weberstraße 59a
53113 Bonn
info @ kunsthistoriker.org

Sektionen

Kulturtransfer – Akteure und Wege im östlichen Mitteleuropa des Hohen und Späten Mittelalters

Der dynamische Begriff des Kulturtransfers beschreibt am besten die kulturhistorischen Austauschprozesse zwischen den gesellschaftlichen und ethnischen Gruppen im östlichen Mitteleuropa. Im Fokus stehen die Funktion der Kunstwerke und ihre historische Bedingtheit, ihre lokale Verwurzelung ebenso wie die interregionale Verflechtung. Dem wird man am ehesten gerecht, wenn man Vermittlungswege und -akteure im Einzelnen nachvollzieht. Erwartet werden Beiträge, welche die Achsen des Kulturtransfers aufzeigen, und zwar in den historischen Grenzen der polnischen, böhmischen und ungarischen Länder sowie der östlichen Teile des Römisch-Deutschen Reiches. Berücksichtigt werden sollen die sich wandelnden politisch-kulturellen Verflechtungen ihrer Metropolen und Zentren innerhalb wie außerhalb der umrissenen Großregion. Im Fokus stehen können die Entwicklungsprozesse auf ihren sozial- und wirtschaftsgeschichtlichen Grundlagen, das Nebeneinander verschiedener Stile und insbesondere die Übergangsphasen, aber auch die Rolle einzelner, erfahrungsgemäß sehr mobiler Künstler. Interessant sind Anstöße zur Veränderung und der Prozess der Veränderung – an den Höfen, beim hohen Klerus und in den Städten.

Jiří Fajt, Berlin

Die Ausstattung von Stadtkirchen im Hanseraum

Die großen städtischen Pfarrkirchen im Einflussbereich der Hanse hatten in erster Linie religiöse Funktionen, dienten aber auch in erheblichem Maße der städtischen Oberschicht als Repräsentations- und Memorialorte, ebenso als Orte der Rechtspflege, zum Teil auch der städtischen Verwaltung. Diese komplexen Anforderungen im Spannungsfeld von Sakralem und Profanem prägten nicht nur die Architektur, sondern auch die Ausstattung der Kirchen. Die einzelnen Objekte waren innerhalb des Kirchenraums nicht isoliert, sondern Teile eines komplexen ikonographischen und funktionalen Geflechts. In den Sektionsbeiträgen sollen exemplarisch die dadurch entstehenden Interdependenzen untersucht werden. Dabei sind alle Bildmedien von Interesse: Glas- oder Tafelmalerei, auch Wandmalerei und Raumfassung, ebenso Skulptur. Dasselbe gilt für die Funktionen der Werke, seien es Retabel, Grabmäler, Epitaphien oder Kirchenmöbel. Es sollte nicht das herausragende Einzelobjekt im Mittelpunkt stehen, sondern vielmehr seine Einbindung in den vorgefundenen Kontext, also einerseits die Rücksichtnahme auf bereits vorhandene Bildkomplexe und die Architektur, andererseits deren Veränderung. Gehörte es etwa zu den Forderungen an die Künstler, ihre Werke sinnvoll in das vorhandene Bildgefüge einzuordnen? Gab es Strategien der Auftraggeber, übergreifende Strukturen zu etablieren? Seit wann werden Ansätze für einheitlich geplante und ausgeführte Ausstattungskomplexe erkennbar, zum Beispiel in Privatkapellen? Darüber hinaus stellt sich die grundlegende Frage: Wurden die Kirchen – wie häufig behauptet – im Spätmittelalter planlos mit immer mehr Kunstwerken gefüllt, so dass die Bilderstürme der Reformationszeit als reinigendes Gewitter die gröbsten Exzesse der spätmittelalterlichen Bilderflut beseitigten? Oder gab es schon in vorreformatorischer Zeit ordnende Kriterien und Instanzen, die es gerechtfertigt erscheinen lassen, von abgestimmten mittelalterlichen Bildsystemen über Gattungsgrenzen hinweg zu sprechen?

Gerhard Weilandt, Greifswald

Im Dialog. Die Funktion von Glasmalerei im Kirchenraum

Die Funktion von Glasmalerei erschöpft sich mitnichten darin, Wandabschluss, Wetterscheide oder Lichtöffnung zu sein. Glasmalerei kann in großen Raumzusammenhängen Licht- und Farbakzente setzen, sie kann Raumteile und ‑funktionen kommentieren, Entstehungsumstände kommemorieren oder Heilswahrheiten illustrieren. Formal kann sie sich dabei zur Architektur ebenso bekennen wie zur Skulptur, Wand- oder Tafelmalerei. Durch Größe und Position der Fensteröffnungen im Vergleich zu den übrigen Kunstgattungen in ihrem Funktionszusammenhang eher eingeschränkt, ist die Glasmalerei umso mehr darauf angewiesen, mit ihrer Umgebung in Dialog zu treten.

Die Sektion lädt dazu ein, Glasmalereien (jenseits der Bestandserfassungen) im großen abendländischen Rahmen auf ihre unterschiedlichen Funktionen im Kirchenraum zu untersuchen. Beiträge, die Glasmalerei als Teil einer Kapellenausstattung vorstellen, sind dabei ebenso willkommen wie solche, die die Qualität der Glas­malerei als strukturierendes Element der Kathedraltopografie diskutieren. Das Zusammenspiel von Glasmalerei mit Architektur, Skulptur, Wand- oder Tafelmalerei interessiert ebenso wie der Zusammenhang mit Grabanlagen oder Altären.

Glasmalerei als Medium der Vermittlung oder als Projektionsfläche dynastischer Selbstdarstellung – die Strategien des Dialogs mit dem Betrachter und/oder den übrigen Ausstattungsteilen aufzuzeigen und damit die Glasmalerei wieder stärker in den kunsthistorischen Diskurs zu integrieren, macht sich die Sektion zur Aufgabe.

Frank Martin, Berlin

Networking Europe: Kulturtransfer in der Hanse

Die Hanse als wirtschaftliches und kommunikatives Netzwerk Europas ist in den letzten Jahren zunehmend in den Blick geraten: in historischer Perspektive, aber auch als Organisationsform, die in aktuellen Netzwerken gespiegelt wird – nicht zuletzt im heutigen Städtebund „Die Hanse“. In Denkfabriken und bei Beiträgen auf dem Wirtschaftsforum in Davos ist die Hanse ebenfalls eine wichtige Referenz. Zugleich weist der Europarat in seinem Programm der „Cultural Routes“ der Hanse eine hervorgehobene Stellung zu. Anerkanntermaßen ist sie ein Erinnerungsort Europas.

Für die Refiguration Europas, welche die Blockaden der Teilung Europas überwindet, spielt der Norden Europas zwischen Brügge und Novgorod, Dortmund, Bergen und Danzig eine bedeutende Rolle. Die Sektion fragt nach den Vernetzungen der Hansestädte durch den Handel mit Luxusgütern – und dabei vor allem auch nach dem Kulturtransfer mit dem nahen und fernen Orient, muss doch eine Präzisierung des historischen Wissens über die Beziehungen des christlichen Westens zum christlichen Orient und zur islamischen Welt als wichtige Aufgabe aktueller Forschung gelten.

Erwünscht sind sowohl Beiträge, die exemplarisch Objekte, Orte und/oder Wege des Kulturtransfers in der Hanse vorstellen, als auch solche, die das Forschungsfeld methodisch kartieren.

Barbara Welzel, Dortmund

Liminale Räume. Schiffe, Häfen und die Stadt am Meer

Die Sektion untersucht die Verschränkungen maritimer und urbaner Räume vom Mittelalter bis in die Moderne. Sie soll aus kunsthistorischer Perspektive den Dialog mit den gegenwärtig intensiven Forschungen zum Meer und zu transregionalen Tauschprozessen in den Geschichtswissenschaften (vor allem Rechts-, Wissenschafts- und Wirtschaftsgeschichte) aufnehmen. Dies schließt eine kritische Auseinandersetzung mit Braudels Konzept der „méditerranée“ ein, welches er zum Teil in Kriegsgefangenschaft in Lübeck entwickelt hat, wobei er etwa auch die Ostsee als einen diesem entsprechendem Geschichtsraum versteht, wenn er von den „vielen Mittelmeeren“ der Geschichte spricht. Seine und jüngere historische Forschungen haben aber weder die spezifische Visualität noch die historischen Dynamiken der Beziehung von Meer und Architektur, Technik und Visualität in den Blick genommen. Dies gilt für die Schiffe ebenso wie für die Städte, deren „Bild“ oft vom Meer her konzipiert ist, man denke nur an Venedig, Istanbul, Danzig oder Greifswald. Technologien der Häfen und Ästhetiken von Nähe und Ferne bedingen oder durchschichten sich wechselseitig. Oft ist auch der Binnenraum der Städte auf das Meer hin orientiert; das Verhältnis von Stadtraum und Hafen kennt dabei eine Vielzahl von Varianten wie geschichtlichen Veränderungen. Schiffe sind ihrerseits mobile Architekturen, an denen sich die Frage nach dem Verhältnis von Ort und Raum neu stellt.

Die Sektion fragt nun nicht nur nach den Räumen der Städte oder Schiffe und nach deren architektonischen, bildlichen oder dekorativen Gestaltungen, sie möchte zugleich die Verbindungen und Transferprozesse untersuchen, deren Agenten die Schiffe und Häfen sind. Damit kommen die Artefakte selbst und die Wege in den Blick, auf denen Dinge und Wissen zirkulieren oder migrieren. Eine Kunstgeschichte der Hafenstädte und der maritimen Räume ist eine Herausforderung für die traditionellen Ursprungserzählungen des Faches, sie muss sich mit Konnektivität und Mobilität, Heterogenität und transkulturellen Tauschprozessen befassen.

Die Sektion ist offen für Bewerbungen, die sich mit den oben skizzierten Themen in Form von Fallstudien und theoretischen Reflexionen auseinandersetzen. Von besonderem Interesse sind Beiträge, die Zusammenspiel oder Konstellationen von städtischen bzw. maritimen Räumen und Artefakten in ihrer Materialität, Medialität oder ihren spezifischen Technologien untersuchen. Ebenso willkommen sind solche, die Stadtraum und Stadtbild in Beziehung zum Meer in einer Dialektik von Einschließung und Öffnung verstehen oder die transurbanen Ausbildungen und Dynamiken von Kontakträumen thematisieren.

Hannah Bader, Florenz / Gerhard Wolf, Florenz

Laboratorium Romantik

Die Periode der europäischen Romantik erfährt seit einigen Jahren eine verstärkte Aufmerksamkeit innerhalb der europäischen Kunst- und Wissenschaftslandschaft – nicht etwa nur als Stillage oder als geschichtliche Epoche, sondern vor allem als interdisziplinäres und transnationales Phänomen. Die Sektion fragt, unter welchen Voraussetzungen sich heute wissenschaftliche Historisierungen und Kategorisierungen in der Kunst der Romantik bilden lassen, unter der hier zeitlich die gesamte erste Hälfte des 19. Jahrhunderts verstanden wird. Bei der Sektion sollen auch solche Bereiche eine Rolle spielen, die in den letzten Jahren vermehrt in den Fokus der Forschung gelangt sind. Hierzu gehören Themen wie die Organisation der Kunstausbildung in den Akademien oder den freien Ateliers, die technologische Beschaffenheit des eigentlichen Werksprozesses sowie der Zusammenhang zwischen der sogenannten Hochkunst und den neuen Medien wie Diorama, Fotografie oder Lithografie. Auch soll nach den Interdependenzen zwischen den europäischen Kunstnationen gefragt werden, etwa den Bezugnahmen französischer auf deutsche Künstler und umgekehrt. Schließlich soll überlegt werden, ob die Kunst der Romantik auch als Teil eines größer angelegten Bildungsprogramms zu verstehen ist, das beispielsweise in Berlin um 1830 gleichermaßen Institutionen wie die zahlreichen Zeichenschulen, die Museen, die Gewerbeschule, die Akademie der Künste mit ihren jährlichen Ausstellungen oder auch die Curricula der Universität umfassen konnte.

Kilian Heck, Greifswald / Bénédicte Savoy, Berlin

Kulturerbe im Mitteleuropa der Nachkriegszeiten

Europa erlebte, nach dem Ende des Ersten Weltkriegs und den Friedensverträgen von Versailles, Trianon und Saint-Cloud sowie erneut nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges mit den Verträgen von Jalta und Potsdam, eine politische Neuordnung, die vielerorts die zumeist erst im 19. Jahrhundert konstruierten Einheiten von Staat, Territorium, Volk, Geschichte, Kunst und Kulturerbe zerschnitt und neue Konfigurationen erzeugte. Die Zwangsumsiedlung bzw. die Neuansiedlung von Bevölkerungsgruppen sollte die veränderten bzw. neu gebildeten Staatsterritorien stabilisieren. Vielerorts verloren Denkmale, Sammlungen und andere Kulturgüter ihre soziale Basis und mussten im veränderten gesellschaftlichen Rahmen neu in Wert gesetzt werden.

Wie sind Denkmalpfleger und Kuratoren, eingebunden in die politischen und ideologischen Systeme in Nachkriegseuropa, mit diesem Verlust lokaler kultureller Kohärenz umgegangen? Wie haben sie an der Konstruktion neuer lokaler/regionaler Einheiten mitgewirkt? Welche Aneignungs- und Argumentationsmuster wurden mobilisiert, um ein öffentliches Interesse an der Erhaltung von Denkmalen und Sammlungen zu erzeugen, die auf absehbare Zeit nicht als eigen gesehen werden konnten? Wie haben die vormals am Ort Ansässigen, nun anderswo Lebenden ihren Erbeverlust bearbeitet? Können wir die in eine Verlusterzählung eingebettete Interpretation eines Denkmals von derjenigen, die Teil einer Zugewinnerzählung geworden ist, unterscheiden? Und schließlich: Wie lässt sich heute angemessen über all diese Vorgänge der Neu-Aneignung und Umdeutung sowie des Festhaltens diskutieren? Wir schlagen vor, versuchsweise auf die Kategorie des Nationalen zu verzichten und stattdessen an der Konstituierung von offenen Kultur-Erbengemeinschaften („Heritage Communities“) zu arbeiten, wie sie in der Europaratskonvention von Faro 2005 beschrieben sind.

Gabi Dolff-Bonekämper, Berlin / Robert Traba, Berlin

(Dis)Kontinuitäten. Kunsthistoriografien im östlichen Europa nach 1945

Der Zweite Weltkrieg bildet eine Zäsur in der Geschichte der Kunstgeschichte. Dies gilt insbesondere für die Länder des östlichen Europas: Etablierte Forschungszentren und Netzwerke wurden aufgelöst und/oder erfuhren eine Reorganisation, ebenso erzwang die Ideologisierung der Bildungs- und Wissenschaftspolitik eine Positionierung des Faches im Aufbau der sozialistischen Gesellschaft – eine Forderung, die mit dem nationalen Selbstverständnis der Volksrepubliken harmonisiert werden musste. Zäsur bedeutet jedoch nicht „Stunde Null“. Wir möchten vielmehr die Neuorganisation und -strukturierung des Faches in den Ländern der sich formierenden sozialistischen Staatengemeinschaft als einen forcierten Transformationsprozess begreifen, dessen Faktoren, Dynamik, Zielrichtung und Charakter in der Sektion untersucht werden sollen. Institutsgeschichtliche Betrachtungen können hierfür genauso erhellend sein wie biografische Studien oder Beiträge zur Methodengeschichte. Ziel der Beiträge soll es sein, die Beharrungskräfte der gewachsenen kunstgeschichtlichen Forschung einerseits und die Durchsetzungskraft neuer inner- wie auch außerfachlicher Einflüsse auf institutioneller, personeller und fachlich-inhaltlicher Ebene andererseits erkennbar werden zu lassen, sie in ihrer diskursiven Verflechtung zu untersuchen und in ihrer Bedeutung für die Entwicklung des Faches zu gewichten. Besonders willkommen sind Beiträge, die neue Quellenbestände wie etwa Geheimdienstdokumente erschließen und neue Wege erproben, der gesellschaftlichen Komplexität dieses Transformationsprozesses gerecht zu werden. Aufschluss versprechen ebenso Studien, die die Entwicklung und Diskussion in zwei oder mehreren Ländern vergleichend untersuchen bzw. überstaatliche Organisationsformen (Konferenzen usw.) in den Blick nehmen. Die Fragestellung impliziert einen zeitlichen Fokus auf die Zeit seit dem Zweiten Weltkrieg bis in die 1960er Jahre, jedoch kann der Untersuchungszeitraum bis an das Ende der 1980er Jahre ausgedehnt werden.

Katja Bernhardt, Berlin / Antje Kempe, Greifswald

Transkulturelle Kunstgeschichte

Ausgehend von der These, dass eine permanente Transgression nationaler und kultureller Grenzen stattfindet und diese daher instabil sind, nehmen „Transcultural Studies“ Phänomene des kulturellen Kontakts und der kulturellen Vermischung in den Blick. Damit stellen sie eine Herausforderung für die Kunstgeschichte dar. In dem Neudenken von Transkulturalität geht ein solcher Ansatz über die traditionelle Suche nach Ursprüngen und Verortungen von Kunst und Kultur hinaus und richtet den Blick auf die Mobilität von Artefakten und ästhetischen Konzepten, auf das fortwährende Reisen der Künstlerinnen und Künstler sowie der künstlerischen Konzepte. Deshalb ist die Kunstgeschichte eines der wichtigsten Felder, auf denen kulturelle Identitäten und historische Narrative verhandelt werden.

In der Sektion sollen verschiedene Ansätze zur Transkulturalität, etwa in den Postcolonial Studies und den Visual Culture Studies, nicht nur auf theoretischer Ebene, sondern auch anhand von Fallbeispielen diskutiert werden. Zu fragen wäre etwa, inwiefern Begriffe von „Transkulturalität“ und „Exterritorialität“ hilfreich sind, um eine Pluralität von Stimmen zu ermöglichen. Nicht die bloße Einbindung bislang nicht kanonisierter Kunst soll dabei im Vordergrund stehen, vielmehr geht es um strukturelle Fragen, etwa um eine Dezentrierung des westlichen Kunstdiskurses und um eine kritische Reflexion hegemonialer Kategorisierungen. Unter solchen Gesichtpunkten wäre(n) auch die Kunstgeschichte(n) früherer Epochen neu zu konzipieren und neu zu schreiben.

Alexandra Karentzos, Darmstadt / Avinoam Shalem, München

Kunst, Mobilität, Bewegung

Die Sektion widmet sich den vielfältigen Dimensionen der Bewegung in der bildenden Kunst und befragt das Phänomen des prinzipiell Statischen auch in Hinsicht einer räumlichen und physischen Entgrenzung sowie seiner emotionalen Wirkkraft. Die Darstellung der Bewegung zählt zu konstanten Herausforderungen in einer der Mimesis verpflichteten Kunst und hat Theorie und Praxis, in der Malerei ebenso wie in der Skulptur, gleichermaßen beschäftigt. Dabei geht es einmal um die Wiedergabe eines physischen Bewegungsmoments, der im Kunstwerk eingefangen und festgehalten ist, aber nicht weniger auch um dessen Beseelung, wie sie exemplarisch im Pygmalion-Mythos aufgehoben ist. In den Kunstformen Film und Performance treten Bewegungsformen schließlich nicht mehr als Imitation, sondern im eigenen Recht auf. Philosophie und Kunsttheorie haben sich der Bewegung als epistemischer Figur genähert (Maurice Merleau-Ponty, Henri Bergson, Gilles Deleuze) und das intellektuelle Spektrum bis hin zu Fragen von Rhythmus und Bewegung vor sowie der Begegnung mit dem Bild erweitert. Jüngste Ansätze erforschen, etwa unter den Denkfiguren „agency“ oder „Bildakt“ (Bruno Latour, Horst Bredekamp), die Handlungsfähigkeit des Kunstwerks.

Für die Sektion werden Beiträge erbeten, die das weithin gut erforschte Phänomen der Bewegungsdarstellung in der Geschichte der bildenden Kunst unter aktuellen theoretischen Prämissen neu befragen. Vor allem aber sind Vorschläge willkommen, die Aspekte der Bewegung vor der Kunst (etwa vor Gemälden, in der Architektur) und wie diese sie konditioniert erörtern, darüber hinaus auch solche, die Bewegung als Ausgangspunkt und Motiv der Kunst selbst untersuchen (unter anderem gestische Malerei oder Performance). Nicht weniger erwünscht sind Vorträge, in denen der affektiven, inneren Bewegung (Emotion) nachgegangen wird und die diese in sinnfälligen Zusammenhang mit der Frage auch eines physischen Transfers bringen. Die Fallstudien können aus sämtlichen Gattungen der bildenden Kunst stammen, die Sektion strebt an, das Thema aus diachronischer Perspektive zu verhandeln.

Andreas Beyer, Paris / Guillaume Cassegrain, Lyon

„Come ride with me / through the veins of history“: Musikvideo, Kunstgeschichte und Bildwissenschaften

In gleich mehrfacher Hinsicht gehört die Gattung des Musikvideos zu den Aufgabenbereichen der Kunstgeschichte und Bildwissenschaften. Zum einen greifen nicht wenige dieser Clips zentrale Werke der Kunstgeschichte auf und adaptieren sie: Als stets auch die Rezeptionsgeschichte von Werken in den Blick nehmende Disziplin muss die Kunstgeschichte sich daher auch mit solchen Interpretationen auseinandersetzen. Viele dieser Musikvideos gehen aber zum anderen über eine bloß rezeptive Adaption hinaus, indem sie die herangezogenen Kunstwerke entweder unter Rekurs auf die Spezifika des filmischen Mediums umwandeln oder aber sie mit anderen (beispielsweise der Literatur, dem Film oder auch der Musikgeschichte entlehnten) Motiven kombinieren.

Damit rückt zugleich die klassische Gattungsgrenzen übergreifende Faktur des Musikvideos in den Blick, das – als aus Musik, Text und (bewegten) Bildern bestehender Hybrid – so unterschiedliche Felder wie Fotografie, Film(musik), Bühnenkunst, Lyrik, Musikgeschichte oder Populärkultur übergreift. Zudem reichen die daran geknüpften Fragestellungen auch in die Medien- und Technikgeschichte hinein. Das iPhone hat zum Beispiel nicht nur auf dem Gebiet etablierterer Gattungen wie der Malerei neue Formen und Fragen nach deren Werkcharakter hervorgerufen (man denke hier an die iPhone-Gemälde David Hockneys), sondern auch auf dem Gebiet des Videoclips Innovationen ermöglicht (Stichwort „audiovisuelle Animations-Apps“. Nicht vergessen werden sollten in diesem Zusammenhang auch Aspekte wie die durch das Web 2.0 ermöglichte „Laienkultur“ – vgl. YouTube – und deren Einfluss auf das Musikvideo).

Schließlich stellt sich mit dem Musikvideo nicht nur die Frage, „wie“ es gesehen werden will, sondern auch als „was“: Musikvideos haben verstärkt den Weg in den Museums- und Kunstbereich gefunden, woran deutlich wird, dass die Grenzen zwischen Videoclip und Kunstwerk in der Praxis längst nach beiden Richtungen hin offen sind.

Erbeten sind Beiträge, die sich mit den hier angeschnittenen Themenbereichen auseinandersetzen wie zum Beispiel:

- Das Musikvideo als Rezeptions- und Vermittlungsinstanz von Kunstwerken: Divulgation, Kanonbildung, kreative Anverwandlung?
- Der Videoclip als Prüfstein zur Schärfung kunstgeschichtlicher, bildwissenschaftlicher bzw. interdisziplinärer Methoden.
- Das Musikvideo als Schnittstelle zwischen Kunst- und Technologiegeschichte einerseits sowie Bild-, Film- und Medienwissenschaften andererseits.
- Der Musikclip als Beispiel für die Veränderungen des Werkbegriffs bzw. traditioneller Grenzziehungen.

Henry Keazor, Saarbrücken

Der Ort der Kunstkritik in der Kunstgeschichte

Die Etablierung einer institutionalisierten Kunstkritik und die zeitgleiche Herausbildung kunsthistorischer Methoden im 18. Jahrhundert haben eine bis heute wirksame Unterscheidung hervorgebracht: in eine Wissenschaft der Kunstgeschichte einerseits, die ihren Forschungsgegenstand historisch relativiert, und eine Kunstkritik andererseits, die auf ästhetische Werturteile setzt, Formen des Literarischen ausbildet und statt auf analytischer Distanz auf unmittelbarer Zeitgenossenschaft beruht. Eine solche Zweiteilung des Redens über Kunst erscheint heute zunehmend fragwürdig. Indem die akademische Kunstgeschichte auch die Gegenwartskunst als selbstverständlichen Bestandteil ihres Kanons begreift, ist das Kriterium des historischen Abstandes zum Forschungsgegenstand obsolet geworden. Kunsthistoriker/-innen stehen in vielfältigem Austausch mit den Künstler/-innen, über die sie schreiben, Überschneidungen von Wissenschaft und Kritik, Forschung und Kunstbetrieb sind unabdingbar. Umgekehrt waren die ästhetische Aktualisierung von Kunstwerken, die Gültigkeit von Normen oder Geschmacksurteilen immer auch konstitutive Elemente kunsthistorischer Forschung. Die geplante Sektion möchte diese wechselseitigen Beziehungen zum Anlass nehmen, um nach dem Ort der Kunstkritik in der Kunstgeschichte zu fragen. Dabei sollen vor allem folgende Fragen im Mittelpunkt stehen: Wie verhalten sich kunsthistorische Forschungen über aktuelle Kunst zur parallelen Praxis der Kunstkritik? Was ist an der kunsthistorischen Forschung zur Kunst der Gegenwart genuin „historisch“? Inwiefern muss die aktuelle Kunstkritik, um Beurteilungskriterien zu entwickeln, auf historisches Wissen zurückgreifen? Was bedeutet es für das Geschichtsverständnis der Kunstgeschichte, wenn in zunehmendem Maße auch die Kunst der Gegenwart in ihren Korpus integriert wird? Diese Fragen sollten sowohl aus der historischen als auch aus der systematischen Perspektive aus erörtert werden.

Peter Geimer, Berlin / Beate Söntgen, Lüneburg

Weitere Informationen entnehmen Sie der Homepage des Verbands Deutscher Kunsthistoriker e.V.

 

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