Frau Biasini, Sie sind im Historischen Museum der Pfalz Speyer zuständig für den Bereich „Junges Museum“, Sie konzipieren und betreuen dort Ausstellungen für Kinder. Was genau sind Ihre Aufgaben?
Zusammen mit meiner Kollegin Almut Neef betreue ich das „Junge Museum“. Wir sind sowohl für die Konzeption der Ausstellungen, als auch für die Konzeption der Begleitprogramme wie Führungen für Schulen, Ferienbetreuung oder Kindergeburtstage zuständig. Ein wichtiger Punkt ist auch das Pflegen von Kontakten. Das „Junge Museum“ ist fast wie ein eigenes kleines Museum im HMP für die Zielgruppe „junge Menschen“. Dementsprechend fallen neben der Ausstellungskonzeption noch viele weitere Aufgaben an.
Zielgruppen
Wie setzt sich Ihre Zielgruppe „junge Menschen“ zusammen?
Gerade in der Kinderausstellung haben wir sehr viele Freizeitbesucher. Vor allem Eltern und Großeltern besuchen unsere Ausstellung zusammen mit ihren Kindern. Wir haben immer das Gefühl, dass Unmengen an Schulklassen zu uns kommen – aktuell in unserer Ägyptenausstellung haben wir ca. 700 Buchungen – aber beim Blick auf die Statistiken sind wir doch immer wieder darüber erstaunt, dass nur etwa ein Drittel Schulklassen sind, während Freizeitbesucher zwei Drittel ausmachen.
Gestaltet sich die Ausstellungskonzeption durch die hohe Zahl an Freizeitbesuchern schwieriger? Macht es einen Unterschied, ob man eine Ausstellung für große Gruppen wie Schulklassen oder eher für Freizeitbesucher plant?
Die Planung von Ausstellungen für Schulklassen ist doch ein wenig einfacher. Zum einen können wir davon ausgehen, dass die begleitenden Lehrer nach ihrem Lehrplan arbeiten. Zum anderen wissen wir, dass die Lehrkräfte ihre Schüler durch die Ausstellung leiten, ihnen Wichtiges erklären, ihnen die richtigen Fragen stellen und Hintergrundinformationen geben. Andere Schulen buchen Führungen, so dass unser Begleitpersonal die Gruppe lenken kann. Bei den Freizeitbesuchern am Wochenende, wie Eltern oder Großeltern mit Kindern, funktioniert dies nicht immer ohne Weiteres. Zwar gibt es viele Eltern, die mit ihren Kindern zusammen durch die Ausstellung gehen, anleiten, viel erklären und als Ansprechpartner dienen, allerdings gibt es auch Eltern, die erwarten, dass all dies vom Museum geliefert wird, was nicht unbedingt funktionieren kann.
Wir bemühen uns immer, die Ausstellungen so zu konzipieren, dass die Kinder möglichst auch ohne fachliche Anleitung die Ausstellungsthemen verstehen können. Allerdings brauchen sie meist doch ein Gegenüber, der ihnen die Dinge erläutert. Haben die Kinder keine Anleitung oder einen Gesprächspartner, der ihnen die Themen genauer erklärt, seien es Objekte oder unsere Hands-On-Stationen, die sie zum Interagieren anregen sollen, ist das für sie oft nicht wirklich befriedigend. Sie sind ja nicht in der Lage, sich alle Inhalte selbst zu erschließen. Trotz unserer Bemühungen, die Ausstellungen so zu konzipieren, dass sie sich auch ohne Begleitung erschließen lassen, müssen wir feststellen, dass eine Anleitung immer vorzuziehen ist.
Von der Töpferscheibe zum Diskus
Was unterscheidet Ausstellungen, die sich an Kinder richten, von denen, die Erwachsene als Zielgruppe haben? Was muss bei der Planung beachtet werden?
Da Kinder sehr neugierig sind, kann man sie mit vielen Themen konfrontieren. Allerdings sind sie auch recht schnell gelangweilt, das muss man bedenken. Sie wollen die Möglichkeit haben, Dinge selbst zu erforschen. Deshalb wird man in Kinderausstellungen immer viele Objekte zum Anfassen finden. Wir wollen den Kindern die Möglichkeit geben, viele Dinge selbst auszuprobieren. Stellt man beispielsweise in einer Erwachsenenausstellung eine Spindel in einer Vitrine aus und schreibt dazu, dass es sich um eine Spindel handelt, die auf diese Art und Weise funktionierte, ist das in einer Kinderausstellung so nicht ohne Weiteres möglich. In einer Kinderausstellung sollte die Möglichkeit bestehen, die Spindel zu erproben. Da das aber sehr schwierig ist, müsste im Idealfall jemand neben der Spindel stehen und den Kindern zeigen, wie man sie benutzt, so dass sie es selbst ausprobieren können. Kinder haben auch kein Interesse daran, sich mit Wandtexten auseinanderzusetzen und lesen sie nicht, selbst wenn sie lesen können. Möchte man den jungen Besuchern etwas vermitteln, was über die Objekte selbst hinausgeht, muss man einen Zugang über andere Medien finden, sei es eine Wandgrafik, ein computergestütztes Programm oder eine entsprechende Inszenierung an den Hands-On-Stationen.
Dann ist es wichtig, den großen Bewegungsdrang der Kinder zu beachten. Eine Ausstellung sollte ihnen die Möglichkeit bieten, sich zu bewegen, zu rennen und sich auszutoben. In erster Linie wollen unsere jungen Besucher im Museum Spaß haben und glücklich sein, das Lernen steht nicht im Vordergrund. Ausstellungen für Kinder sollten deshalb so gestaltet sein, dass dies möglich ist.
Sie versuchen, Kinder spielerisch an historische Themen und Exponate heranzuführen. Nutzen die jungen Besucher Ihre Angebote immer so, wie Sie es sich vorstellen?
Natürlich funktioniert nicht immer alles so, wie wir es uns vorstellen. Man muss immer wieder neue Erfahrungen sammeln und so erfahren, was funktionieren kann und was nicht. Was immer sehr gut gelingt, sind im spielerischen Ansatz Rollenspiele. Kostüme oder Objekte, mit denen man hantieren kann. Sie schlüpfen gerne in andere Rollen.
Versucht man die Kinder allerdings an bestimmte Arbeitsabläufe heranzuführen, kann das auch mal schief gehen, wenn man Fehler bei der Planung macht. Beispielsweise hatten wir vor einiger Zeit eine Mittelalterausstellung, in der wir den jungen Besuchern die Möglichkeit geben wollten, Münzen zu prägen. Es gab einen Amboss, Silberscheibchen, einen Prägestempel und einen Hammer. Den Kindern war klar, wie das funktionieren sollte und es war eine gelungene Hands-On-Station. Gleichzeitig hatten wir noch eine Töpferei. Wir hatten schon eine Töpferscheibe gezeigt, wollten aber darüber hinaus den Kindern die unterschiedlichen Gefäßformern erklären. Wir stellten runde Scheiben zur Verfügung, die man übereinanderschichten konnte, und je nachdem wie diese Scheiben geschichtet wurden, konnte man Gefäße gestalten. Allerdings haben die Kinder keine Gefäße gestaltet, sondern diese Scheiben auf die Töpferscheibe gelegt, getreten und zugesehen, wie der „Diskus“ nun zur Seite flog. Man kann also festhalten, dass die Kinder unsere Objekte auch mal anders nutzen.
Exponate in Kinderausstellungen
Wie handhaben Sie den Gebrauch von Exponaten in Kinderausstellungen?
Originale werden museal präsentiert, das heißt sie kommen auch in Vitrinen unter Einhaltung der entsprechenden Sicherheitsstandards. Objekte, die den Kindern zugängig sind, sind Rekonstruktionen oder Inszenierungen von uns. Meist trennen wir Originale auch räumlich etwas von den anderen Bereichen ab. Wir würden nie ein wertvolles Exponat unmittelbar neben eine Spielzone stellen. Trotzdem ist es uns wichtig, Kinder mit Originalen zu konfrontieren, denn wir sehen uns nicht als Indoorspielplatz oder Themenpark.
Welche Rolle spielen Museumsführer und Ausstellungsbegleiter wie Lehrer oder Eltern bei einem Museumsbesuch mit einer großen Gruppe von Kindern?
Die Menschen, die Kinder im Museum begleiten, seien es die Eltern, die Lehrer oder die Besucherbegleiter, spielen eine wichtige Rolle, da sie als Vermittler fungieren. Es ist so, dass die Kinder von den Dingen, die im Museum ausgestellt sind, sehr fasziniert sind. Gerade naturkundliche und historische Themen üben auf die jungen Besucher einen großen Reiz aus. Oft studieren sie die Objekte von ganz alleine und stellen Fragen, beispielsweise über die Echtheit der Exponate. Da ist es wichtig, dass ein Begleiter auf die Fragen antworten kann. Für Kinder ist es unbefriedigend, das Museum zu verlassen, ohne Antworten auf die eigenen Fragen bekommen zu haben. Außerhalb des Museums gibt es weitere Möglichkeiten, Antworten zu finden, wie in Büchern oder im Internet, aber im Museum sind die Kinder auf das Wissen der Begleiter angewiesen.
Ist es manchmal schwierig, sich in die jungen Besucher hineinzuversetzen?
Während wir bei der Wahl der Ausstellungsthemen auf unsere Erfahrungswerte zurückgreifen können und wir hier die Reaktionen der jungen Besucher gut vorhersehen können, fällt uns dies bei den einzelnen Elementen der Ausstellung teilweise etwas schwerer. Zum Beispiel wenn wir eine Software entwickeln, die den Kindern durch einzelne Erklärungsschritte einen Zugang zu einem bestimmten Sachverhalt ermöglichen soll. Dabei kann es vorkommen, dass wir die einzelnen Schritte als logisch erachten, die Kinder diese jedoch aufgrund anderer Überlegungen nicht nachvollziehen können.
„Herausfinden, was man wirklich machen möchte“
Ist es in Ihrem Beruf unerlässlich, neben einer (kunst-)historischen Ausbildung Fertigkeiten und Kenntnisse im pädagogischen Bereich zu besitzen?
Es ist auf jeden Fall von Vorteil, wenn man Fähigkeiten und Kenntnisse im pädagogischen Bereich besitzt. Zudem ist Erfahrung sehr wichtig. Sie hilft dabei, sich in die Kinder hineinversetzen zu können. Allerdings kommt es bei einem Einstellungsgespräch nicht in erster Linie darauf an, ob der Bewerber ein pädagogisches Studium absolviert hat. Wichtiger ist es, Inhalte aufarbeiten und vermitteln zu können. Daneben spielen die Fähigkeit, sich einzufügen und die Erfahrung, die man besitzt, eine große Rolle. Die Fertigkeiten und Kenntnisse sind aber nicht speziell im Bereich der Kinderausstellungen notwendig, auch in der Museumsarbeit für Erwachsene stehen sie im Vordergrund. Im Rahmen von Volontariaten können sie zudem ausgebaut und gefördert werden. Letztendlich sollte man als Student versuchen herauszufinden, was man wirklich machen möchte. Dann kann man auf seinem Gebiet richtig gut werden.