Interview, Kunsthistoriker im Gespräch
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„Restauratoren haben durchaus Fragen an Kunsthistoriker“

Viele Studenten der Kunstgeschichte ziehen es in Erwägung, nach ihrem Studium eine Ausbildung zum Restaurator zu machen. Sie versprechen sich dadurch eine optimale Ergänzung ihres kunsthistorischen Wissens mit kreativen, handwerklichen Arbeitsaufgaben. Wie darf man sich den Berufsalltag eines Restaurators vorstellen?

Eigentlich handelt es sich bei Kunstgeschichte und Restaurierung um völlig unterschiedliche Berufsbilder und Aufgabenbereiche. Ein Studium der Kunstgeschichte bringt natürlich gewisse Kenntnisse mit sich, was durchaus von Vorteil sein kann. Aber mit der Restaurierung selbst haben diese wenig zu tun.

Am Museum rückt für den Restaurator heute die Konservierung in den Vordergrund: Die große Anzahl der Kunstwerke, die nicht nur im Museum ausgestellt ist, sondern auch im Depot lagert, soll in erster Linie für die Nachwelt erhalten bleiben. Nicht allen kann man sich individuell widmen, geschweige denn sie restaurieren: Vielmehr müssen Rahmenbedingungen geschaffen werden, die allen Werken gerecht werden.

Welche Rolle kommt dem Restaurator im Rahmen einer Ausstellungsplanung zu?

Bevor ein Werk ausgestellt werden kann, muss in einem Befund festgestellt werden, ob sein Zustand die Präsentation überhaupt zulässt. Ist dem nicht der Fall, gilt es oft, sich gegen die Vorstellungen der Kuratoren durchzusetzen, die vorrangig am Erfolg einer Ausstellung orientiert sind.

Kann das Werk andererseits für die Ausstellung freigegeben werden, ist es wichtig, seinen Zustand vorab zu protokollieren, um Veränderungen wie Alterungsprozesse und Schäden im Auge zu behalten. Das Werk wird dann für die Ausstellung gesichert und gegebenenfalls restauriert, indem man zum Beispiel bestimmte Stellen retuschiert. Auch die richtige Rahmung spielt bei der Präsentation und für den Erhalt des Werks eine wichtige Rolle.

Ein weiteres wichtiges Aufgabengebiet für den Restaurator am Museum ist das Depot. Hier lagert ein wesentlicher Teil der Sammlung. In ein Depot fließt viel Geld, man investiert in gute Materialien, um den Erhalt der Werke zu gewährleisten. Die meisten Museen bräuchten dafür viel mehr Personal, doch die wenigsten Museen haben die Ressourcen, um genügend Fachleute anzustellen.

Papierrestaurierung: eine besondere Herausforderung

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Papierproben unter Einwirkung von Tageslicht in der Sammlung Prinzhorn: Sie dienen dazu, Veränderungen in der Farbigkeit verschiedener Materialien über einen längeren Zeitraum zu beobachten. (Foto: Maren Mittentzwey)

Was reizt Sie an Ihrem Arbeitsgebiet als Papierrestauratorin?

Eigentlich habe ich die Bereiche Wandmalerei, Gemälde und Papier studiert. Erst später habe ich mich auf Papier spezialisiert. Dieses Material fasziniert mich seit jeher. An den Restaurator stellt es ganz besondere Herausforderungen und zeigt ihm sehr schnell seine Grenzen auf: Eine Restaurierung auf Papier ist nicht beliebig oft durchführbar wie etwa eine Retusche auf einem Gemälde, die man immer wieder abnehmen und korrigieren kann.

Welche sind die typischen Arbeitsschritte in Ihrer Restaurierungswerkstatt?

Zunächst erstelle ich einen Befund. Dann überlege ich gemeinsam mit dem Besitzer, wie weit die Restaurierung gehen soll. Hierbei steht natürlich auch die Beratung besonders im Vordergrund, da Kunden nicht immer beurteilen können, was die beste Maßnahme für ihr Kunstwerk ist. Oft muss man die Vorstellungen des Auftraggebers auch ein wenig zurechtrücken. Ziel der Restaurierung ist ja nicht, das Werk wie neu aussehen zu lassen. Ein überrestauriertes Objekt wirkt schnell steril und unnatürlich.

Führen Sie aufwändige chemische und physikalische Analysen wie Roentgen- und UV-Untersuchungen durch?

Solche Untersuchungen können eigentlich nur in den großen Museen beziehungsweise für hochwertige, bedeutende Museumsobjekte vorgenommen werden, da die Anschaffung der entsprechenden Geräte sehr teuer ist. Hier in Deutschland gibt es zu Untersuchungszwecken das Rathgen-Forschungslabor der Staatlichen Museen zu Berlin und das Doerner Institut der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen. Aber auch hier werden nur hochrangige Werke untersucht, für die sich der hohe Aufwand tatsächlich lohnt.

Welche Schäden kommen bei Papierarbeiten am häufigsten vor?

Viele kleinere Schäden wie Risse entstehen allein durch die Handhabung der verschiedenen Akteure, die notwendigerweise mit den Werken umgehen, etwa bei der Begutachtung oder beim Ein- oder Ausrahmen. Ihre Ausbesserung gehört zum Arbeitsalltag am Museum. An der Sammlung Prinzhorn haben wir es außerdem mit vielen minderwertigen Materialien zu tun, die sehr säurehaltig sind.

Das Wichtigste in der Papierrestaurierung ist das Entziehen der Säure, ein rein konservatorischer Vorgang, der im Abstand von mehreren Jahren ständig wiederholt werden muss. Je mehr Säure das Papier enthält und mit je mehr Licht und Feuchtigkeit es in Kontakt kommt, desto schneller schreitet der Abbauprozess voran. Weitere Schäden werden bei Papier durch Stockflecken und Insekten verursacht. Auch die Mal- und Zeichenmaterialien selbst können Schadensbilder aufweisen: Herkömmliche Aquarellfarben sind nicht lichtecht und verändern mit der Zeit ihre Farbigkeit, Tinte verblasst bei Lichtkontakt. Deshalb dürfen Papiere dem Licht generell nur sehr begrenzt ausgesetzt werden.

Haben sich die Aufgaben des Restaurators im Laufe der Zeit verändert?

Früher wurde sehr viel mehr restauriert als konserviert. Durch die steigende Zahl von Ausstellungen und die Vielzahl an Leihgaben bleibt für das Restaurieren heutzutage jedoch kaum noch Zeit. Meine wichtigste Aufgabe hier an der Sammlung ist es, den Zustand eines Werkes festzustellen und zu entscheiden, ob es ausgeliehen beziehungsweise in einer Ausstellung gezeigt werden kann. Idealerweise gibt es am Museum mehrere Restauratoren, von denen sich die einen um die Restaurierungen kümmern, die anderen um die Betreuung der Werke.

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Verschiedene Pinsel gehören zum Alltagswerkzeug des Papierrestaurators. (Foto: Maren Mittentzwey)

Nicht jeder, der sich Restaurator nennt, ist ein ausgebildeter Restaurator, da die Berufsbezeichnung nicht geschützt ist. Welche Probleme bringt dies mit sich?

Es gibt hervorragende ältere Restauratoren, die nie studiert haben, da zu ihrer Zeit noch keine spezifische Ausbildung möglich war. Heute bekäme man ohne ein FH-Studium sicher keine Anstellung mehr. Gleichzeitig ist die Ausbildung noch lange kein Garant für die qualitätsvolle, gewissenhafte Arbeit eines Restaurators. So gibt es Restauratoren, die einfach nicht retuschieren können – nicht, weil sie es vielleicht nicht im Studium gelernt hätten, sondern weil ihnen schlicht das Händchen dazu fehlt. Man kann nicht alles lernen, für bestimmte Dinge braucht man eine gewisse Begabung und jede Menge Improvisationsvermögen.

Mehr als nur Mischtechnik

Als Kunsthistoriker versuchen wir, Werke zum Beispiel in Bezug auf ihre Farbigkeit zu deuten, ohne genau zu wissen, ob es sich dabei wirklich um die originale Farbigkeit handelt. Wie können wir feststellen, ob sich ein Kunstwerk in seinem ursprünglichen Zustand befindet oder später verändert oder restauriert wurde? Wie können wir herausfinden, was genau an einem Werk verändert wurde?

Oft fällt mir auf, dass Kunsthistoriker sich nicht ausreichend mit Materialien und Techniken auskennen. Das liegt daran, dass sie eben keine praktischen Erfahrungen machen, z. B. indem sie Zeichnen lernen. Besonders deutlich merkt man das bei den Materialbeschreibungen der Werke in den Museen, die mitunter sehr oberflächlich ausfallen. Unterschiedliche, am gleichen Kunstwerk angewandte Techniken werden da auch gerne mal unter dem Terminus „Mischtechnik“ zusammengefasst.

Dabei könnte man doch durchaus entsprechende praktische Übungen und Materialkunde auch im Rahmen eines Kunstgeschichtsstudiums anbieten. Ich halte es für schwierig, den Zustand eines Werkes zu beurteilen, wenn man gar nicht nachempfinden kann, wie es gemacht wurde. Und ohne ein gewisses technisches Wissen und die haptische Erfahrung von Materialien kann ein ungeschultes Auge erst recht keine Restaurierung erkennen. Häufig wenden sich Kunsthistoriker in ihrer Unsicherheit daher erst einmal an den Restaurator. Die Kooperation auf diesem Gebiet ist in jedem Fall unerlässlich.

Sind die Dokumentationen der Museen frei einsehbar?

Dokumentationen werden heutzutage in der Regel digitalisiert, was auch für den Restaurator einen hohen Verwaltungsaufwand bedeutet. Jedes Museum muss in irgendeiner Form seine Dokumentationen aufbewahren und diese auch jedem zugänglich machen, der ein berechtigtes Interesse an ihnen hat.

Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit zwischen Restauratoren, Kunsthistorikern und Kuratoren am Museum?

Hier an der Sammlung Prinzhorn findet auf jeden Fall ein Dialog statt. Ohne diesen wäre die Arbeit für alle Beteiligten auch kaum möglich. Zudem würden die Kunstwerke leiden. Die Entscheidung darüber, wie man mit einem bestimmten Werk umgeht, ist daher immer eine gemeinschaftliche. Im Übrigen geschieht die Zusammenarbeit im Interesse beider Parteien, denn der Restaurator hat ja durchaus auch Fragen an den Kunsthistoriker.

Weitere Informationen zur Restauratorenausbildung finden sich im Beitrag „Kunstgeschichte oder Restaurierung? Hintergründe zur Restauratorenausbildung“.

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