Interview, Kunsthistoriker im Gespräch
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Kavaliersdelikt Kunstfälschung

Der aktuelle Tatort ist eine Garage. Der Fall des Monsieur Le Guennec würde ein unterhaltsames Drehbuch für den Sonntagabend im Ersten liefern. Wie wird der Fall gelöst werden?

Diese Frage ist nur sehr schwer zu beantworten. Ich kann mir nicht vorstellen, dass jemand Zeichnungen von Picasso vierzig Jahre in der Garage liegen lässt. Der Künstler ist schlichtweg zu bekannt dafür. Monsieur Le Guennec wird sicherlich auch schon vor zwanzig Jahren gewusst haben, dass die Blätter Millionen wert sind – egal, ob er sie geschenkt bekommen oder gestohlen hat. Solche Bilder müssen jedoch genauestens und mit naturwissenschaftlichen Methoden untersucht werden, denn mit bloßem Augenschein lässt sich keine Lösung finden.

Wieso werden Fälscher in der Öffentlichkeit oft mit Sympathie betrachtet und die Fälschung mehr als Kavaliersdelikt, denn als Betrug wahrgenommen?

Han van Meegeren versuchte sich an einigen Probebildern nach Vermeer, u.a. an einer „Dame beim Musikstudium“ nach Vermeers Briefleserin, bevor er „Christus und die Jünger in Emmaus“ nach der Vorlage von Michelangelos „Emmausjünger“ schuf und verkaufte.

Dieses Phänomen ist zunächst nicht ganz begreiflich, lässt sich aber gut am Beispiel von Han van Meegeren darstellen. Van Meegeren hat vor dem Krieg in den Niederlanden viele vermeintliche Vermeers verkauft und damit Steuergelder öffentlicher Institutionen - etwa von Museen - zunichte gemacht. Nur durch ein Bild, das er an Hermann Göring verkaufte und durch das er sich nach dem Krieg als Fälscher outen musste, fiel der Schwindel auf. In den Niederlanden wurde er als Nationalheld gefeiert, weil er Göring hinters Licht geführt hatte. Dass aber auch zahlreiche Museen betrogen wurden, hatte man schnell vergessen.

Ein weiterer Grund für diese Wahrnehmung ist wahrscheinlich auch, dass der Kunstmarkt vollkommen überteuert ist. Die Experten treten oft allwissend auf. Es macht den Anschein, als freue sich die Öffentlichkeit darüber, wenn diesen Spezialisten damit ein Schnippchen geschlagen wird.

Ich bin nicht sicher, ob die Leute auch in den aktuellen Fälschungsvorfällen der Sammlung Jägers den Fälschern freundlich gesinnt bleiben werden. Wahrscheinlich wird sich das erst zeigen, wenn die Urteile gesprochen wurden. Oft konnten Fälscher aber, nachdem sie découvriert waren, ihre gefälschten Bilder mit eigener, echter Signatur doch für viel Geld verkaufen.

Und hängen inzwischen selbst im Museum.

Genau.

Beim Lesen Ihres Buches entsteht der Eindruck, dass Sie als Kunsthistorikerin nicht unbedingt Antipathien den Fälschern gegenüber hegen.

Die Fälscher-Biographien, beispielsweise von Eric Hebborn und Elmyr de Hory, sind durchaus faszinierend. Hebborn war sehr fähig und verfügte über viel Fingerspitzengefühl für sein Handwerk. De Hory kopierte nicht einfach Gemälde, sondern studierte – wie alle guten Fälscher – den Stil und die Malweise des Künstlers und schuf neue Bilder.

Ihre beiden Lieblingsfälscher?

Ja, durchaus. Beide haben sehr spannende Geschichten.

Doch nicht nur Fälscher, auch Kunsthistoriker sind - wenn auch meist unwissentlich - am Betrug beteiligt. Sollten die Kunsthistoriker vielleicht einmal so viel wissenschaftlichen Ehrgeiz für ihr Metier aufbringen wie die Fälscher betrügerischen?

Wenn es um die Untersuchung der Echtheit von Kunstwerken geht, ist die Zusammenarbeit von Restauratoren und Kunsthistorikern dringend erforderlich. Beide sollten ohne einander keine Urteile fällen. Die Restauratoren können ein Gemälde technisch untersuchen, die Kunsthistoriker sind versierten in der Forschung mit Quellen und Sekundärliteratur.

Beim aktuellen Fall der Sammlung Jägers zeigt sich ein großes Problem. Der Gutachter Werner Spies war am Verkauf der Werke beteiligt und hat diese daher möglicherweise nicht ohne Eigennutz zu Originalen erklärt. Bevor ein Experte ein Gutachten schreibt, muss die Bezahlung vollkommen unabhängig vom Ergebnis und dem tatsächlichen Wert des Untersuchungsgegenstandes festgelegt werden. Wenn der Betrag aber – wie im Fall Spies – davon abhängig gemacht wird, ob die Arbeiten echt sind oder nicht, ist kein Gutachter mehr objektiv.

Weshalb gibt es derzeit einen solch großen Wirbel um Kunstfälschungen, wenn sich die Praxis des Fälschens und Kopierens doch einer jahrhundertealten Tradition erfreut, denkt man an das Kopistentum der Römer oder die Nachahmung des antiken Stils in der Renaissance.

Leonardo da Vinci oder Fälschung? Wilhelm Bode kaufte die „Flora-Büste“ 1909 in dem Glauben, es handele sich um ein Werk da Vincis.

Die Behauptung Kunstfälschungen gäbe es schon seit Jahrhunderten ist schlichtweg falsch. Die Römer haben, wie Sie sagen, die Skulpturen der Griechen kopiert, nicht gefälscht – das ist ein großer Unterschied. Das setzt einen anderen Kunstbegriff voraus. Heute interessieren wir uns für die Individualität und das Genie des Künstlers. Noch im 19. Jahrhundert hat Giovanni Bastianini Renaissance-Skulpturen geschaffen, aber nie behauptet, dass sie nicht von ihm seien – das haben immer nur andere getan. Der Louvre hat eine seiner Skulpturen in dem Glauben gekauft, sie 400 Jahre alt sei. Nachdem herausgekommen war, dass es sich um einen Bastianini und nicht um ein Original handelte, hat der Louvre jedoch keinen Schadensersatz gefordert, da die Skulptur ausgezeichnet gemacht war.

Als in den USA die ersten Museen eingerichtet wurden, kamen die Amerikaner nach Europa, um Kunst zu kaufen. Da es so viel Kunst aber gar nicht gab, wurde sie eben gemacht. Sprich, ab dem Zeitpunkt als es einen freien Kunstmarkt gab, traten auch die Fälscher auf den Plan.

 

Zum Abschluss haben wir noch eine Frage, die mit einem großen Augenzwinkern zu verstehen ist. Können Sie das Fälschen angehenden Kunsthistorikern empfehlen?

 

Eher als angehenden Kunsthistoriker könnte man das Fälschen jungen Künstlern empfehlen. Viele Fälscher haben Kunst studiert und sich in Restaurierungswerkstätten das Studium finanziert. Dort haben sie dann halbfertige Arbeiten fertig gemalt und so das Imitieren eines anderen Stils perfekt erlernen können.

Das Buch „Tatort Kunst. Über Fälschungen, Betrüger und Betrogene“ von Susanna Partsch ist bei C.H. Beck erschienen und kostet 12,95 €.

1 Kommentare

  1. Dr. Albert Scheuer sagt

    Frau Partsch hat sich hier kritisch und konstruktiv zum Expertisen(un)wesen und dazu, dass die Echtheitsuntersuchung eine methodisch umfassende Disziplin ist, geäußert. Sie postuliert die Zusammenarbeit von Kunsthistorikern und Restauratoren. Richtig und im Augenblick dringend notwendig.
    Zukunftweisend kann nach meiner Ansicht aber nur sein, wenn die Echtheitsuntersuchung von Kunstwerken als eine methodisch umfassende Disziplin in Forschung und Lehre an den Kunsthistorischen Instituten der Unis etabliert ist. Jeder Kunststudent sollte eine Grundausbildung erhalten die mindestens das beinhaltet, was jeder ambitionierte Briefmarkensammler beherrscht: Handstereomikroskopie, Digitalfotografie: Makro-, UV-, IR-Bereich, UV-Untersuchung. Dazu mikroskopische Pigmentbestimmung, Spotteste. Damit wäre ein riesiger Schritt vorwärts getan. Ein großer Teil der Fälschungen kann mit technisch relativ einfachen Unter- suchungsmethoden, neben einer methodisch definierten und nachprüfbaren stilkrischen Methode und Provenienzforschung entlarvt werden oder es können verdächtige Hinweise für aufwendigere Methoden gefunden werden (siehe: Rembrandt rearch project, Van Gogh research project).

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