Interview, Kunsthistoriker im Gespräch
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Frisch am Markt

Sie haben einen Magister im Fach Kunstgeschichte, haben jahrelang auf dem Kunstmarkt gearbeitet und nun ein eigenes Unternehmen gegründet. Was war Ihre Motivation für die Gründung von „start your art“?

Während meiner Zeit am Kunstmarkt habe ich viele Beobachtungen machen können. Mir ist aufgefallen, dass sich immer wieder junge Künstler an Auktionshäuser oder den Kunsthandel wenden, um ihre Werke dort zu platzieren. Da traditionelle Auktionshäuser – im Gegensatz zu Online-Auktionshäusern – per Handelsgesetzbuch nur Werke verkaufen können, die bereits einmal gekauft wurden, haben junge Künstler keine Chance dort hineinzukommen. Natürlich versuchen es viele bei Galerien, aber dort ist es ebenfalls äußerst schwierig, einen Platz zu ergattern. Außerdem sind die Konditionen bei Galerieverträgen für die Künstler nicht immer attraktiv.

Die Initiatorin von „start your art“: Jenny Seul. Foto: Jennifer Rumbach.

Eine andere Beobachtung habe ich in meinem Bekanntenkreis gemacht: Viele junge Leute, die zum ersten Mal ihre eigene Wohnung beziehen, beispielsweise nach dem Auszug aus einer Wohngemeinschaft, wollen Kunst für ihre neuen Räumlichkeiten kaufen. Doch haben die meisten Berührungsängste, wenn es um Galerien geht. Zudem besuchte ich diverse Charity-Auktionen, beispielsweise an der Kunstakademie München. Dort werden einmal im Jahr Werke von Studierenden versteigert, es wurden restlos alle Werke verkauft.

Diese drei Beobachtungen wollte ich miteinander verknüpfen. Dazu kam, dass die Konditionen für Kunsthistoriker, die auf dem Kunstmarkt arbeiten, dürftig sind. Die Überlegung war also, bewerbe ich mich wieder einmal für einen anderen Posten und hoffe das Beste, oder setze ich endlich meinen Traum um? Die Entscheidung war schnell getroffen.

Wie sieht dieser Traum aus, den Sie mit „start your art“ umsetzen?

Mit Kunst und allem was dazugehört zu tun zu haben: Kunst entdecken, junge Künstler fördern und Talenten helfen. Daraus ziehe ich momentan die meiste Zufriedenheit. Mir geht es um ein Konzept, das alle Seiten zufrieden stellt, denn das ist auf dem Kunstmarkt oft nicht der Fall. Dort geht es nicht immer fair zu.

Viel verlorenes Potential

Besteht momentan in traditionellen Einrichtungen überhaupt die Möglichkeit für junge Kunsthistoriker mitzuentscheiden und Einfluss auf Tendenzen in der Kunst zu nehmen?

Es ist schwierig, in einem traditionellen Umfeld seinen eigenen Weg zu gehen. Ich sehe viele gute Leute, sei es im Auktionshaus oder im Museum als Volontäre, die viel Potential und Ideen haben, aber nicht dazu kommen, diese umzusetzen. Oft führen die Vorgesetzten ihre altbewährten Konzepte weiter und räumen der nächsten Generation keinerlei Spielraum ein. Sie trauen ihnen nichts zu, viel Potential geht verloren.

Erstmals auf dem Kunstmarkt: Nico Mares, The Rising S., 2010, Acryl auf Nessel, 200 x 200 cm.

Bis jetzt zeigen wenige Unternehmen eine Reaktion auf Ihr Konzept. Werden Sie bereits als Konkurrenz wahrgenommen?

Das ist zum einen schwer zu sagen, da wenige Berührungspunkte zu diesen Unternehmen bestehen. Zum anderen ist es natürlich ein Vorteil, unterschätzt zu werden. Man kann vieles angehen, ohne dass man zu sehr unter Beobachtung steht. Obwohl ich bereits mitbekomme, dass wir beobachtet werden.

Wirkt Ihr Konzept der undurchsichtigen Bewertung beziehungsweise Selektion von Kunst durch einige wenige einflussreiche Größen entgegen?

Ich denke, es ist mittlerweile nicht mehr ganz so undurchsichtig, wie es noch vor zehn oder sogar fünf Jahren der Fall war. Inzwischen gibt es Datenbanken, wie artnet.de oder artprice.com, die zwar kostenpflichtig sind, aber dem Interessierten eine Möglichkeit bieten, Preisentwicklungen auf dem Kunstmarkt nachzuvollziehen. Ich folge dieser Tendenz.

Bei „start your art“ ist es allerdings ein wenig anders. Die Künstler, die wir verkaufen, sind alle frisch am Markt, das heißt es gibt noch keinerlei Vergleichspreise. Zwar hat der eine oder andere bereits etwas verkauft und weiß, was er verlangen kann, aber es ist doch etwas anderes, wenn man einen Künstler verkauft, der bereits seit mehreren Jahren gehandelt wird.

Woher rührt Ihr Interesse an der Beschäftigung mit unbekannter junger Kunst?

Ich möchte gerne zwei Gruppen miteinander verknüpfen: die talentierten jungen Künstler und die jungen Leute, die Kunst kaufen möchten und oft im gleichen Alter wie die Künstler sind. Dies soll für alle Seiten gewinnbringend verlaufen. Es freut mich auch, wenn einer unserer Künstler von einer großen Galerie entdeckt wird. Das ist zum einen gut für den Künstler, zum anderen gut für „start your art“. Es trägt natürlich zum Renommé unserer Firma bei, wenn dieser Künstler bei uns angefangen hat.

Ein unüberschaubares Konglomerat an Kunst

Bei Laien und Kennern herrscht im Moment das Bedürfnis nach einem Ausweg aus dem Chaos, das zur Zeit in der Kunst herrscht. Vor allem seit der von Bice Curiger kuratierten Biennale in Venedig ist die Verwirrung groß. Der Besucher wird überschwemmt mit Kunst. Ist Ihr Angebot nicht weiteres Futter für diese Überfüllung?

Futter für die Überfütterung auf dem Kunstmarkt? Paula Sippel, ohne Titel, 2011, 230 x 150 cm, Tusche und Acryl auf Karton.

Wir haben einen engen Rahmen. Zur Zeit sind 33 Künstler in unserer Kartei und wir haben beschlossen, nicht mehr als fünfzig Künstler auf der Website zu präsentieren. Dabei wird es auf Rotation hinauslaufen. Im Moment haben wir beispielsweise einen Künstler, der im Oktober eine große Ausstellung hat und deshalb zu dieser Zeit keine Bilder bei uns zeigen wird. Das heißt, hier würde vorübergehend ein Platz frei.

Mir ist es wichtig, dass die Anzahl an Künstlern überschaubar bleibt. Ich möchte wissen, wer mich gerade anruft. Das Konzept fußt auf Vertrauen, das geht von der Abwicklung des Kaufes bis hin zu Transport und Versand.

Ein Gegenbeispiel wäre Saatchi-online, eine Art Xing für Künstler. Hier ist die Zielsetzung eine andere, hier geht es mehr um Networking, was das riesige Konglomerat an Kunst bedingt. Ein unerfahrener Käufer wird hier allerdings nur schwer fündig werden.

Zu einer Existenzgründung gehört viel Mut und noch mehr Arbeit. Eine Frau zu sein, macht es nicht gerade einfacher – dieses Stereotyp existiert noch immer. Was sind Ihre Erfahrungen?

Das war vor allem bei Bankgesprächen sehr interessant. Ich bin zu einigen Terminen zusammen mit meinem Partner gegangen, der als Informatiker die Programmierung meiner Seite betreut. Wir hatten vorher abgesprochen, dass ich mein Konzept vorstelle und präsentiere und er nur für Fragen technischer Details zur Verfügung steht. Bei einem Gespräch wandte der Banker sich immer nur an meinen Partner, obwohl ich alle seine Fragen beantwortete. Das ist ein ganz typisches Beispiel.

Was geben Sie jungen Kunsthistorikerinnen mit auf den Weg?

Ich weiß nicht, ob es gut ist, wenn die Frauen sich ein „männlicheres“ Verhalten zulegen. Ich habe oft erlebt, dass eine Frau, die etwas eingefordert hat, einfach ersetzt wurde, es sind ja genug andere da. Wahrscheinlich macht es einfach die richtige Mischung.

Praxiserfahrung ist gut. Ich habe im Studium hauptsächlich gelernt, wissenschaftlich zu arbeiten. Das ist natürlich wichtig und hilft mir auch heute noch bei vielen Dingen. Doch das nötige Know-How, um im Kunsthandel zu bestehen, habe ich erst im Beruf erlernt. Zumal gerade der Kunsthandel an Hochschulen zumeist ausgeblendet wird.

 

 

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