Sie arbeiten im Bereich Gartendenkmalpflege für die Staatlichen Schlösser und Gärten Baden-Württemberg (SSG). Was macht ein Gartendenkmalpfleger?
Sie oder er beschäftigt sich professionell mit Gärten und Freiräumen, denen in einem mehr oder weniger gesellschaftlich institutionalisierten Prozess ein spezifischer kultureller Wert beigemessen wird und an deren Erhalt öffentliches Interesse besteht. Was nun aber das Spezifische des Wertes ist, steht immer wieder zur Diskussion.
Der Gartendenkmalpfleger gehört professionell gesehen zu einer eher seltenen Spezies. Er bewegt sich – um ein Bonmot eines Osnabrücker Geographieprofessors zu verwenden – an der Peripherie der Ökumene im Kern zweier Disziplinen, nämlich der Kunstgeschichte und der Landschaftsarchitektur.
Ein Gartendenkmalpfleger ist – je nach Eigenart des Amtes – forschend, d. h. anwendungsbezogen in der Pflege und Entwicklung oder im behördlichen Verfahren als Genehmigungsinstanz beschäftigt. Die Arbeit bei den SSG integriert in unterschiedlicher Gewichtung Erforschung, Vermittlung und Projektorientierung. Das Spezifische des Gegenstandes selbst und die Form seiner Geschichtlichkeit – Wandel, komplexe Überlagerungsphänomene und oft spärliche Quellen – machen die forschende Erhaltung der Gartendenkmale zu einer indizienwissenschaftliche Angelegenheit.
Die Anfänge der deutschen Gartendenkmalpflege sind unter anderem in der Heimatschutzbewegung Ende des 19. beziehungsweise Anfang des 20. Jh. zu suchen. Wie hat sich das Engagement für den Garten bis heute entwickelt?
Neben der Heimatschutzbewegung, die eine kulturlandschaftliche Wahrnehmung und die positive Besetzung der ,schönen‘ Natur beförderte, geben die zeitgleich gegründete Deutsche Gesellschaft für Gartenkunst und die Gartenreformbewegung um 1900 einen zweiten entscheidenden Impuls: die Wiederentdeckung des architektonischen Gartens als Kunstwerk.
Nicht zu vergessen ist aber, dass erste regenerative Erhaltungsmaßnahmen in höfischen Gartenverwaltungen bereits im 19. Jahrhundert als explizit denkmalpflegerische Haltung formuliert und dort notwendige gärtnerische Techniken erprobt wurden. Beispielhaft sind die umfangreichen Maßnahmen in den formalen Partien von Schönbrunn unter Hofgarteninspektor Adolph Vetter in den 1870er Jahren oder diejenigen im Schwetzinger Schlossgarten unter Hofgärtner Johann Wilhelm Wagner zur selben Zeit.
Diese Entwicklung wurde durch den letzten Weltkrieg und die nachfolgende zweite große Welle industrieller Modernisierung unterbrochen und gewissermaßen als Kritik daran – wie schon im ausgehenden 19. Jahrhundert – wieder aufgenommen, es handelt sich sozusagen um ein postmodernes Phänomen. Rückblickend ist ein beeindruckender sukzessiver Professionalisierungsschub zu konstatieren, institutionell aber auch akademisch durch die Etablierung der Fachrichtung an den Universitäten. Prof. Dieter Hennebo in Hannover ist, wie man heute sagen würde, der Leuchtturm der Entwicklung in diesen Jahren.
Welche Impulse sind aktuell in der Gartendenkmalpflege relevant?
Ich erlebe es so, dass die gartendenkmalpflegerische Forschung und Praxis nach wie vor in hohem Maße von dem Schub der letzten drei Jahrzehnte profitiert und ihn weiter trägt. Im Übrigen gewinnen in letzter Zeit die Anfänge der Denkmalbewegung mit ihren relativ weichen Kriterien wieder an Aktualität, denken Sie nur an die neuerdings hohe Wertschätzung von Kulturlandschaften und Ensembles, wie sie etwa Berichten der UNESCO oder ICOMOS als strategische Perspektive zu entnehmen ist.
Was ist eigentlich ein Garten?
Etymologisch ist der Garten über die Grenze definiert. Ein eingefriedeter Bezirk, befreit von ,gemeinen‘ Pflichten, d. h. im bäuerlichen Kontext der Landnutzung geschützt von der Beweidung. In der Grenze ist auch der Unterschied zur Landschaft markiert, eine die Geschichte der Gartenkunst prägende Liaison, in der letztlich auch die mit dem Garten verwobene Vorstellung des Paradieses wurzelt.
Als Denkmalgattung wird der Garten als ein Ort definiert, an dem Pflanzen einen wesentlichen Raum einnehmen. Doch wird das Wesen des Gartens nicht allein dadurch bestimmt: Gerade die enge räumliche Verflechtung zwischen der pflanzlichen und der baulichen Ausstattung ist das Spezifikum eines Gartendenkmals, wie es die Charta von Florenz zu Recht an den Anfang ihrer Ausführungen stellt.
Wandel oder Gedächtnis
Welche Herausforderungen ergeben sich bei der Arbeit mit vegetabilen und daher veränderlichen Elementen?
Da ist einmal der jahreszeitliche Wandel als Gesamtphänomen und das Altern (und Absterben) der Pflanzen, also die Möglichkeiten wie Empfindlichkeiten in verschiedenen Lebensstadien. Das zu betreuen obliegt der gärtnerischen Pflege. Verschiedene Lebenszyklen und Altersstadien der Elemente eines Gartens lassen ihn jedes Jahr anders erscheinen. Innerhalb dieses Wandels gibt es aber eine bestimmbare Grundform, die eine räumliche Konstante darstellt. Das ist nun wiederum gartendenkmalpflegerisch relevant. Für die gartendenkmalpflegerische Betreuung muss ja unter anderem die Frage geklärt werden, worauf die Pflege hinauslaufen soll, was gemeinhin unter dem Begriff der denkmalpflegerischen Zielstellung firmiert. Dazu sind natürlich weitergehende Untersuchungen notwendig, insbesondere der Anlagengenese.
Die gärtnerische und gartendenkmalpflegerische Arbeit sieht sich je nach Gartenstil mit unterschiedlichen Herausforderungen konfrontiert. Bei formalen Gärten ist es insofern einfacher, da einmal gefundene und gärtnerisch hergestellte Formen die Gebrauchsanweisung für die Pflege enthalten. In einem Landschaftsgarten ist das durchaus anspruchsvoller, da dort das Phänomen des Wandels in und mit der Zeit, das Ineinandergreifen unterschiedlicher Lebenszyklen, grundlegend für die Komposition ist. Dies erfordert eine selektivere Pflege, genaue Beobachtung und ein gerütteltes Maß an Erfahrung.
Gartenrekonstruktionen, wie sie beispielsweise in Schloss Gottorf in Schleswig oder im Kloster Kamp-Lintfort in Nordrhein Westfalen umgesetzt wurden, werden kontrovers diskutiert. Was versteht man unter einer Gartenrekonstruktion?
Eine Gartenrekonstruktion ist wie jede Rekonstruktion eine Wiederherstellung von etwas, das verschwunden und eigentlich nicht mehr existent ist.
Die angesprochene Kontroverse entzündete sich an einem latenten Verständnisunterschied über das Wesen eines Gartendenkmals – also Wandel oder Gedächtnis – und wurde öffentlich als beinah unversöhnlicher Gegensatz stilisiert. Tagungen, Publikationen und Aufsätze dazu sind in letzter Zeit allgegenwärtig. Gleichzeitig ist es auch ein wenig eine potemkinsche Diskussion. Rekonstruktion an sich ist einfach langweilig und geht an der Komplexität eines Denkmals in der Regel weit vorbei. Das ist ja überall unstrittig. Wenn wir die Positionen der Kontrahenten nehmen und nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden befragen, werden wir ein weites Feld der Einigkeit feststellen. Der Streit ist einer über die Ultima Ratio und weniger über den Kanon.
Erholungsort Kunstwerk
Wie kann man das öffentliche Bewusstsein gegenüber dem Garten als kulturelles Erbe sensibilisieren?
Der Garten ist heute oft eine Art Megastar und wird entsprechend auch als Impulsgeber positioniert. Die Gartenlust wird zur Allzweckmetapher. Als Beispiel seien nur die Gartenrouten und -netzwerke erwähnt. Kurz, er ist extrem, fast schon über Gebühr positiv besetzt. Gleichzeitig wird der Garten jedoch zu Recht als Alltagsort wahrgenommen. Zwischen beiden Rezeptionen (Kunstwerk und Freiraum) liegt eine Diskrepanz, die der Gartendenkmalpflege von Anbeginn innewohnt. Es ist anspruchsvoll, das Bewusstsein für die vielen Bedeutungsschichten als Kunstwerk zu vermitteln. Wir versuchen durch Ausstellungen zur Geschichte und Führungen zu bestimmen Themen einen anderen Blick zu ermöglichen oder auch mit sogenannten Schaustellen die Arbeit hinter dem Denkmal sichtbar zu machen. Es ist im Übrigen wunderbar, wenn die Menschen Gartendenkmale zur bloßen Erholung aufsuchen, das ist der ureigenste Zweck der Ziergärten, die, mit den Worten von Albertus Manus, dem Vergnügen der Sinne gewidmet sind.
Oft wird die Gartenkunstgeschichte in der universitären Lehre nur im Zusammenhang mit Architektur vermittelt. Auf welche historischen Grundlagen geht dies zurück?
Das hängt damit zusammen, dass Gartenkunst in erster Linie eine angewandte Disziplin ist. In der Renaissance war – vereinfacht gesagt – die Architekturtheorie eines Leon Battista Alberti maßgeblich für den Gartenentwurf. Später in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts emanzipierten sich die Hofgärtner – beginnend mit der ,Dynastie‘ der Mollets in Paris – und die Hofgärten zu Vertretern und Gegenständen der Kunst. Die Gartenkunst war geboren. Im späten 18. Jahrhundert stieg sie gewissermaßen als (Landschafts-) Gemälde auf in die Gefilde der schönen Künste. Auf diesem gewandelten Verständnis fußt die Gründungsidee der Aufnahme in die Akademien, wie es Hirschfeld verlangt, der die Bildende Kunst als Kernparadigma der Ausbildung begreift. Friedrich Ludwig von Sckell ist die ideale Verkörperung dieser Vorstellung. Der universitären Lehre sind also diese zwei Säulen der Ausbildung in die Wiege gelegt. An dieser Stelle kommt die Kunstgeschichte mit ins Spiel. Die Gewichtungen zwischen den zwei Disziplinen verschieben sich immer wieder. Zurzeit, so mein Eindruck, bewegt sich das Pendel eher zur Seite der Kunstgeschichte: Professuren an den Universitäten, Veröffentlichungen und Forschungsschwerpunkte sind hierfür Indizien.
Wie können sich diese zwei Säulen der Gartendenkmalpflege und universitären Gartenkunstgeschichte heute ergänzen?
Sie ergänzen sich und sie müssen es auch. Die dreibändige Geschichte der Deutschen Gartenkunst von Dieter Hennebo und Alfred Hoffmann, der eine Landschaftsarchitekt und der andere Kunsthistoriker, ist ein Beispiel dafür.
Vom 31. März bis zum 2. April 2011 findet im Schwetzinger Schloss das Internationale Symposium „Monumente im Garten – der Garten als Monument“ statt. Anders als im Programm angegeben, kostet die Teilnahme für Studierende 25€ (statt 50€).
Das Tagungsprogramm zum Download