Die Botticelli-Ausstellung war ein Publikumsmagnet, die knapp 400.000 Besucher haben gelegentlich einige Stunden in der Schlange vor dem Haus auf Einlass gewartet. Möchte das Städel mit der Kirchner-Retrospektive an diesen Erfolg anknüpfen?
Nerina Santorius: Der Erfolg der Botticelli-Ausstellung war außerordentlich. Wir können noch nicht genau sagen, welche Besucherzahlen wir bei Kirchner erreichen werden, aber die Führungsbuchungen im Vorfeld sehen viel versprechend aus. Botticelli hatte allerdings ein anderes Format, es war die erste monographische Ausstellung über ihn in Deutschland. Zu Kirchner hat es in den letzten Jahren in Deutschland zahlreiche Ausstellungen gegeben ‒ doch keine umfassende Retrospektive, eher Präsentationen zu speziellen Themen. Mit der ganzen Bandbreite des Werkes kann man noch einmal andere und neue Facetten Kirchners kennenlernen.
Nicole Brandmüller: Kirchner findet im Frühjahr und im Sommer statt, Botticelli war im Winter. Warme Temperaturen und Sonnenschein sind nicht unbedingt museumsfreundlich, deswegen sind unsere Erwartungen nicht ganz so hoch wie bei der Botticelli-Ausstellung. Wir hoffen aber dennoch, dass die Ausstellung ebenfalls sehr erfolgreich wird, denn auch Kirchner ist wie Botticelli ein großer Name, der den meisten Leuten ein Begriff sein dürfte. Außerdem werden in der Kirchner-Ausstellung Leihgaben zu sehen sein, die noch nie oder vor langer Zeit zuletzt ausgestellt waren. Das ist natürlich sehr reizvoll, auch für Kirchner-Kenner.
Im Museum der Moderne Salzburg ist gerade eine österreichische Kirchner Retrospektive zu Ende gegangen. Was unterscheidet die Retrospektive im Städel von der in Salzburg?
Nicole: Die Salzburger Ausstellung wurde vom Kirchner-Spezialisten Lucius Grisebach kuratiert, der bereits 1979 für die letzte große Retrospektive Kirchners verantwortlich war. Grisebach ist mit Kirchner mehr oder weniger aufgewachsen, sein Großvater, der Philosoph Eberhard Grisebach, war mit Kirchner befreundet. Er hat also einen anderen Bezug zu dem Künstler. Unsere Ausstellung wird von Felix Krämer, Sammlungsleiter für Gemälde und Skulpturen des 19. Jahrhunderts und der Klassischen Moderne am Städel kuratiert. In Salzburg war es die erste Kirchner-Retrospektive in Österreich überhaupt. Dort wurden aber weitaus weniger Werke gezeigt als bei uns zu sehen sein werden ‒ wir können beispielsweise mehrere Straßenszenen präsentieren und auch ein Tryptichon, das seit 1933 nicht mehr ausgestellt war. Wir sind eine andere Generation, setzen daher andere Schwerpunkte und stellen andere Fragen.
Nerina: Der Katalog ist auch anders aufgebaut als der Salzburger Katalog, dessen gesamter Text vom Kurator selbst stammt. Wir haben zusätzlich zu den Texten, die aus unserem Haus kommen, Kirchner-Spezialisten mit ganz unterschiedlichen Forschungsschwerpunkten eingeladen, Beiträge zu verfassen. Wir erhoffen uns davon, einen etwas anderen Blick auf Kirchner eröffnen zu können und möchten auch die kritischen Punkte und Widersprüche bei ihm ansprechen. Es gibt natürlich Unmengen von Kirchner-Literatur, aber die Bilder werden selten ganz genau beschrieben. Für unseren Katalog wurden gut 150 Werkkommentare zu den einzelnen Arbeiten verfasst. Wir wollen wirklich die Kunst in den Vordergrund stellen und nicht nur Kirchners Biografie reproduzieren.
Eine andere Seite von Kirchner
In der Ausstellung werden die Werke also neu in den Blick genommen. Unlängst ist ein Bildnis von Dodo auf der Rückseite der „Nackten Frau am Fenster“ wiederentdeckt worden. Bisher hat das Städel Kirchners Werke nicht doppelseitig ausgestellt. Wird das jetzt geschehen?
Nicole: Ja, bei Kirchner kann man noch nie gezeigte und auch noch nie publizierte Rückseiten entdecken. In den letzten Jahren hat man begonnen, zum Beispiel in Kiel und in Essen, einen Fokus auch auf die Rückseiten zu legen. Diese beiden Rückseiten, ein „Akt im Tub“ und eine Darstellung von Kirchners Dresdner Geliebten Doris Große, zeigen wir auch in der Ausstellung im Städel. Und wir haben zusätzlich eine Rückseite gewissermaßen wiederentdeckt, eine liegende Dodo. Momentan wird das Gemälde für die Ausstellung restauriert.
Kirchner hat in den 1920er-Jahren sehr viel übermalt. Wir haben das Glück, dass er dieses Bild nicht übermalt hat und es deshalb noch in seinem ursprünglichen Zustand von 1909 präsentiert werden kann. Uns liegt die Rückseiten-Thematik sehr am Herzen und wir wollen mit dieser Ausstellung natürlich darauf eingehen.
Nerina: Beide Seiten können wir schlecht gleichzeitig präsentieren. Die eigentliche Vorderseite, die „Nackte Frau am Fenster“, ist beispielsweise ein Hochformat, die Rückseite ein Querformat. In der Regel hat Kirchner die Leinwände gedreht, das heißt, beides parallel zu präsentieren ‒ ohne, dass der Besucher den Kopf drehen muss ‒ ist schwierig. In diesem Fall nehmen wir uns heraus, die Rückseite für wichtiger zu erachten und zeigen deshalb nur diese.
Warum hat Kirchner wohl Dodo auf der Rückseite versteckt?
Nicole: Kirchner sagte ganz lapidar: „Die Leinwand hat Gott sei Dank 2 Seiten.“ Ich glaube, er wollte das Bild nicht verstecken. Ich glaube vielmehr, dass er die andere Seite der Leinwand mit seiner aktuellen Partnerin schmücken wollte. Doris Große, genannt Dodo, war Kirchners Freundin in Dresden, sie ist auf der Rückseite, in Berlin hat er Erna Schilling kennengelernt, sie ist auf der Vorderseite dargestellt. Immerhin hat er die Dodo auf der Rückseite nicht übermalt. Es gibt nämlich verschiedene Varianten, wie Kirchner mit rückseitigen Darstellungen verfahren ist: Es gibt Gemälde, die er komplett übermalt hat, darauf hat er dann Signatur, Titel und Datierung der jetzigen Vorderseite vermerkt. Bei anderen hat er Signatur, Titel und Datierung in schwarzer Farbe über die Darstellung geschrieben. Bei unserer Rückseite hat er zum Glück nichts von alledem gemacht.
In der Forschung wird diskutiert, ob man die Rückseiten überhaupt museal präsentieren soll.
Nerina: Es gibt natürlich unterschiedliche Ansätze, wie man mit der Rückseitenthematik umgehen kann. Von Lucius Grisebach ist kürzlich ein Aufsatz erschienen, in dem er sich mit diesem Gegenstand auseinandersetzt und die These vertritt, dass es gegen Kirchners Willen sei, die Rückseite zu präsentieren. Ich denke, dass wir da als Kunsthistoriker heute ruhig eine eigene, neue Position beziehen dürfen.
Nicole: Die ältere Kirchner-Forschung ist nicht sehr „Rückseiten freundlich“, im Grunde folgt man damit der Meinung des Künstlers, der die eine Seite verworfen und die andere zur Vorderseite, also zur Schauseite erklärt hat. Als Kunsthistoriker betrachten wir die Problematik aber mit einem gewissen Abstand und dürfen uns darüber somit eine eigene Meinung bilden.
Im Städel wird im wahrsten Sinne des Wortes eine andere Seite von Kirchner gezeigt.
Nicole: Schöner Ausdruck! Ja, das möchten wir gerne.
Auf der Städel-Homepage kann man momentan verfolgen, wie die graphischen Blätter restauriert werden, die Besucher werden sogar im Vorfeld detailliert über die einzelnen Arbeitsschritte informiert. Der wissenschaftliche Vermittlungsanspruch ist offenbar hoch. Was dürfen die Besucher in der Ausstellung erwarten?
Nerina: Die Wissenschaft und der Vermittlungsanspruch müssen sich überhaupt nicht ausschließen. Die Programme unserer Abteilung „Bildung und Vermittlung“ finde ich sehr gelungen und extrem vielfältig, sie sprechen ganz unterschiedliche Zielgruppen an. Es ist unser Wunsch, mit der Kirchner-Ausstellung auch ein junges Publikum zu erreichen, das sich bisher vielleicht noch gar nicht oder wenig mit dem Künstler auseinandergesetzt hat. Gelungen ist eine Ausstellung sicher dann, wenn der Laie ebenso wie der Kunsthistoriker von den Exponaten berührt wird und einen Bezug zu der gezeigten Kunst bekommt.
Wie eine zweite Doktorarbeit
Nerina, Du arbeitest als Volontärin und Nachfolgerin von Nicole an der Ausstellung mit. Wie darf man sich Eure Arbeit vorstellen?
Nerina: Nicole, möchtest Du von den ersten beiden Jahren berichten?
Nicole: Ich habe bereits zwei Jahre Volontariat absolviert und bin jetzt Wissenschaftliche Mitarbeiterin und Projektleiterin der Kirchner-Ausstellung. Ich hatte die Möglichkeit, die Kirchner-Ausstellung von Anfang an zu begleiten. Als Sabine Schulze, Kustodin für das 19. und 20. Jahrhundert im Städel, nach Hamburg gegangen ist, um dort die Direktorenstelle im Museum für Kunst und Gewerbe zu übernehmen, kamen Felix Krämer und Martin Engler als Kustoden ins Haus. Martin Engler ist für die Kunst nach 1945 verantwortlich, deren Bestand in den letzten Jahren stark vergrößert wurde. Ich habe etwa ein Dreivierteljahr für beide Kustoden gearbeitet. Als Kirchner mehr und mehr Gestalt annahm, habe ich dann nur noch für Felix Krämer gearbeitet, der diese Ausstellung kuratiert.
Zu Anfang waren Felix Krämer und ich erst einmal im Depot und haben uns jedes Bild der Sammlung 19. Jahrhundert und Klassische Moderne angesehen. Felix Krämer fand es erstaunlich, dass das Städel so viele Werke von Kirchner besitzt, es aber noch nie eine umfassende Ausstellung zu diesem Künstler hier gegeben hat. Fünfzehn Gemälde, zwei Skulpturen, ein Teppich und sehr viele Zeichnungen, Aquarelle und druckgrafische Arbeiten, das ist ein schöner Bestand, vor allem, weil darunter noch einige Hauptwerke sind! Nachdem die Idee einer großen Kirchner-Ausstellung auch bei Direktor Max Hollein großen Anklang fand, haben wir ein Konzept erarbeitet ‒ warum wollen wir welche Werke zeigen, wie soll die Ausstellung inhaltlich aufgebaut sein, welche Schwerpunkte setzen wir etc.? Daraufhin wurden die Leihanfragen verfasst. Ich war von Anfang an dabei und durfte alles mitmachen, so zum Beispiel die ersten Treffen mit den Abteilungen Marketing und Presse- und Öffentlichkeitsarbeit hier im Haus. Momentan besteht die hauptsächliche Aufgabe in der Koordination mit dem Verlag. Wir sind ein Team, wobei der Kurator natürlich die letzte Instanz ist, trotzdem soll man kreativ und selbstständig arbeiten, so haben Nerina und ich auch sehr viele Texte für den Katalog verfasst.
Nerina: Was sehr großen Spaß macht ist, dass viele verschiedene Instanzen an der Ausstellung beteiligt sind. Wir sitzen mit den anderen Abteilungen aus dem Haus zusammen, aber zum Beispiel auch mit dem Architekturbüro und überlegen, wie die Ausstellungsarchitektur gebaut werden soll. Man bekommt mit, wie die Werbekampagne entsteht. Das ist alles sehr spannend und vielfältig. Momentan sitzen wir am Katalog und sehen die Druckfahnen durch ‒ es gibt viel redaktionelle Arbeit.
Nicole: Hinzu kommt das Hörbuch, die Labels für die Ausstellung müssen erstellt werden, damit sich die Grafiker an die Arbeit machen können. Wie sollen die Labels aussehen, welche Schrift, Deutsch und Englisch… es geht wirklich von A bis Z. Man ist immer mit dabei und kann eine Menge beitragen, was sehr viel Spaß macht.
Ihr seid beide promoviert. Ihr habt aber gesagt, dass Ihr keine Kirchner Experten seid. Worüber habt Ihr promoviert?
Nerina: Ich habe über französische Skulptur des 19. Jahrhunderts promoviert. Für mich war Kirchner Neuland. Ich setze mich gern mit dieser neuen Thematik auseinander, aber wenn man nur einige Monate vor der Ausstellungseröffnung zum Projekt stößt, muss es auch ganz schnell gehen. Es gibt viel zu entdecken. Im Gemälde-Depot oder mit der Restauratorin in der Graphischen Sammlung vor den Originalen zu stehen, das ist einfach großartig. Man arbeitet ja auch im Museum, um die Werke um sich zu haben.
Nicole: Das ist fast wie eine zweite Doktorarbeit! Seit knapp zwei Jahren mache ich fast nichts anderes als Kirchner. Richtig toll war es, bei den Werken genau hinzusehen, Dinge zu entdecken, die in der Literatur nicht besprochen wurden, aber auch Dinge in Frage zu stellen, die bislang immer als allgemeingültig angesehen wurden. Wir haben versucht, uns die Bilder zuerst anzusehen und dann zu lesen, da es nur so möglich ist, eine eigene Meinung zu bilden. Ich habe über die künstlerischen Umsetzungen von Psalm 137 „An den Wassern Babylons“ promoviert.
Fehlerfreie Bewerbung
Es haben sich sicherlich sehr viele Leute auf die Stelle beworben. Was denkt Ihr, warum ist die Wahl auf Euch gefallen?
Nerina: Es ist von Vorteil, eine fehlerfreie Bewerbung abzugeben.
Eine ordentliche Bewerbungsmappe oder keine Rechtschreibfehler?
Nicole: Rechtschreibfehler! Unser Chef achtet, denke ich, nicht auf ein hochprofessionelles, gestelltes Foto und auf eine glänzende Mappe, sondern für ihn zählt das, was jemand gemacht hat und wie die Bewerbung geschrieben ist. Ein natürliches Foto bringt außerdem die Persönlichkeit viel besser zum Ausdruck.
Nerina: Man muss dazu sagen, dass die Stelle nur eine Woche ausgeschrieben war - eine extrem kurze Zeitspanne, so war man etwas unter Druck.
Ihr müsst gegen Ende der Ausstellungsvorbereitung auch unter Zeitdruck arbeiten.
Nerina: Es war sicherlich ein Auswahlkriterium, dass man schaut, was schafft jemand in der kurzen Zeit. Gerade jetzt gibt es mit dem Katalog viel redaktionelle Arbeit. Ich war vor einigen Jahren Volontärin im Deutschen Kunstverlag, was mir jetzt sehr hilft.
Das Volontariat ist auf zwei Jahre angesetzt, deshalb bleibt Kirchner nicht das einzige Projekt, an dem ich mitarbeite. Hinzukommen wird unter anderem die Neupräsentation der Sammlung, deshalb war der primäre Fokus nicht, sich einen Kirchner-Experten ins Haus zu holen. Sicherlich ist es auch eine Glücks- und eine Chemiefrage, dass man gut in das Team passt und dass man sich ergänzt.
Nicole: Bei mir war es mit der Auswahl nicht so schwer, da ich eine Initiativbewerbung bei Sabine Schulze eingereicht habe. Zu dem Zeitpunkt hatte ich gerade meine Dissertation abgegeben und wollte unbedingt ins Städel. Ich habe Sabine Schulze eine E-Mail geschrieben und ihr erzählt, was ich gemacht habe und dass ich gerne bei ihr ein Volontariat machen würde. Sie hat mir tatsächlich innerhalb von zehn Minuten zurückgeschrieben. Daraufhin haben wir ein ausführliches Telefonat geführt, eine Woche später bin ich aus der Nähe von Nürnberg nach Frankfurt gefahren. Wir hatten ein intensives Gespräch in ungezwungener Atmosphäre, etwa 2 Stunden. Danach war es eigentlich klar, dass es klappen wird, worüber ich sehr glücklich war. Im September 2007 habe ich im Städel Museum angefangen.
Nerina, wie viele Bewerbungen hast Du geschrieben?
Nerina: Zwei. Wenn man mit Begeisterung und Engagement dabei ist, kann es funktionieren. Aber ohne Glück geht es nie.
Und mit Rechtschreibkenntnissen. Du hast vorher ein Volontariat im Deutschen Kunstverlag gemacht?
Nerina: Ja, leider musste ich dort nach nur sieben Monaten aufhören, da ich ein Stipendium in Paris bekommen habe, das sehr wichtig für meine Dissertation war. Ich habe im Verlag viel mitgenommen, was mir bei meiner jetzigen Arbeit zugute kommt.
Ich denke, dass es eher üblich ist, dass im Museum Leute genommen werden, die Museumspraktika vorweisen können. Ich habe nur ein Museumspraktikum gemacht. In diesem Fall war das kein Ausschlussgrund.
Vom eigenen Schreibtisch in die Teamarbeit
Momentan arbeitet Ihr noch beide an Kirchner, dann werden andere Projekte folgen?
Nerina: Die Ausstellung ist gerade die Hauptarbeit, obwohl es auch immer ein Tagesgeschäft gibt, Anfragen, E-Mails, die nichts mit Kirchner zu tun haben. Danach werden wir uns der Planung der Neupräsentation der Sammlung widmen, für die Wiedereröffnung des Städel Museums 2011.
Nicole: Ich darf morgen eine Kurierreise nach Chicago antreten. Ich bringe ein Gemälde von Matisse in das Art Institute. Solche Aufgaben hat man im Städel auch.
Haben sich Eure Erwartungen an das Volontariat erfüllt?
Nicole: Ich hatte keine Erwartungen, da ich nicht wusste, was auf mich zukommen würde. Ich habe auch nur ein Museumspraktikum absolviert; dafür aber über sechs Jahre Erfahrungen in der Firma Siemens gesammelt.
Das Besondere am Städel, und das war mir vorher nicht bewusst, sind die einzelnen Abteilungen: Zum Beispiel gibt es einen Ausstellungsdienst, der unter anderem den Leihgabenverkehr und Ausstellungsaufbau betreut, sowie Abteilungen für Marketing, Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, Sponsoring und Bildung und Vermittlung – das ist alles sehr professionell. Die Arbeit im Museum ist unglaublich abwechslungsreich, jeder Tag ist anders und man lernt dadurch natürlich eine Menge.
Gibt es etwas, das Euch bei der Ausstellungsvorbereitung am meisten Freude bereitet hat?
Nicole: Spannend finde ich das Koordinieren mit dem Verlag, bei den Meetings mit den verschiedenen Abteilungen eine kreative Idee zu entwickeln, die man umsetzen kann. Man arbeitet nicht wie bei der Dissertation allein vor sich hin, sitzt nicht allein an seinem Schreibtisch ‒ hier ist immer was los und wenn es Fragen gibt, hat der Chef oder ein anderer Kollege ein offenes Ohr.
Nerina: Vom eigenen Schreibtisch in eine Teamarbeit, das ist eine Umstellung. Es motiviert aber, dass man sofort Feedback bekommt und ein Ergebnis sieht. Die hohe Arbeitsintensität entspricht durchaus meinen Erwartungen. Wenn beispielsweise die Fahnen kommen, verlässt man das Büro abends schon mal gegen neun Uhr. Schön finde ich, dass man aus allen Bereichen sehr viel mitbekommt und so ein Bewusstsein dafür entwickelt, was für einen immensen Kraftaufwand so eine Ausstellungsvorbereitung bedeutet. Überall kann man reinschnuppern und hat dabei die Möglichkeit, wissenschaftlich zu arbeiten und konzeptuell tätig zu sein.
Könnt Ihr unseren Lesern, die in einem Museum arbeiten möchten, einen abschließenden Ratschlag geben?
Nerina: Museumspraktika sind sicherlich sinnvoll. Man sollte gerne am Objekt arbeiten und ein Verhältnis zu den Werken haben. Manche Dinge kann man sich nur durch Erfahrung aneignen: Wie man eine Ausstellung hängt, lernt man nicht an der Uni, das hat auch etwas mit Intuition zu tun. Es ist wünschenswert, dass sich Universitäten und Museen zusammentun, um den Studenten die Möglichkeit zu geben, schon relativ früh einen Einblick in die Museumsarbeit zu bekommen. Am allermeisten hilft es, sich immer wieder vor die Bilder und vor die Skulpturen zu stellen, um sich einen eigenen Blick anzueignen.
Nicole: Sinnvoll sind Auslandsaufenthalte wie Auslandssemester während des Studiums oder ein Auslandsstipendium während der Promotion. Fremdsprachen sind wichtig, natürlich Englisch, weitere Sprachen sind von Vorteil. Teamfähigkeit und Flexibilität kann man nicht lernen, man sollte diese Eigenschaften aber unbedingt mitbringen. Sehr wichtig ist es auch, Termine einhalten zu können ‒ manchmal sitzt man eben bis spät nachts und arbeitet.
Die Ausstellung „Ernst Ludwig Kirchner. Retrospektive“ ist von 23. April bis 25. Juli 2010 im Städel Museum Frankfurt zu sehen. Informationen zur Ausstellung sind auf der Homepage zu finden.
- Abb. 1 | Ernst Ludwig Kirchner: Selbstportrait (1925-26), Sammlung E.W.K. Bern
- Abb. 2 | Kirchner: Weiblicher Akt im Tub (1911), Kunsthalle zu Kiel
- Abb. 3 | Kirchner: Liegende Frau im weißen Hemd (um 1909), Städel Museum, Frankfurt am Main
- Abb. 4 | Kirchner: Berliner Straßenszene (1914), Städel Museum, Frankfurt am Main.