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Wie viel Deutschtümelei verträgt Deutschland?

Man wacht morgens auf und hat die Stimme des Büchner-Preisträgers Martin Mosebach noch im Ohr. Und wenn man gerade denkt, es war alles nur ein Traum, muss man sich auf der Seite des Deutschlandfunk eines Besseren belehren lassen. Mosebach hat in einem Interview Botho Strauß’ Debattenbeitrag Der letzte Deutsche, erschienen im Spiegel, verteidigt.

Strauß macht sich da Sorgen um nicht weniger als Kultur und Literatur: „Dank der Einwanderung der Entwurzelten wird endlich Schluss sein mit der Nation und … einer Nationalliteratur.“ Strauß fühlt sich wie der letzte Deutsche. Dietmar Dath widerspricht ihm. Hans Hütt stellt in der Zeit derweil die Diagnose: beginnende Demenz. Richard Kämmerlings wundert sich. Über die diffuse, völkische Paranoia kann man sich ebenfalls wundern.

Einen Verteidiger hat Strauß’ Dekadenzfantasie mit Mosebach jedenfalls gefunden. Der meint, dass hier nur ein Missverständnis vorliegt. Die Entwurzelten seien gar keine Flüchtlinge, sondern die Deutschen selbst. Die haben, so Mosebach, den Kontakt zur Nationalliteratur verloren. Warum die Entwurzelten dann aber einwandern, man weiß es nicht. Warum für Mosebach Ernst Jünger in eine Reihe deutscher romantischer Philosophen gehört, muss auch im Dunkeln bleiben. Dort im Dunkeln liegt auch, also zumindest für Strauß, das Kulturgut. Das nennt er sein „Geheimes Deutschland„, wo er Zuflucht sucht vor imaginierten Angriffen auf eine vermeintliche Leitkultur, ob von innen oder außen kommend. Stefan George, der einstige Herrscher über das Geheime Deutschland, macht in seinem Grab dieser Tage vermutlich regelmäßig Luftsprünge. Botho Strauß schreibt sich selbst, wie man es vor den Weltkriegen im George-Kreis gern tat, in den Kanon großer Männer hinein.

Heinemann: Herr Mosebach, fehlt Botho Strauß vielleicht einfach nur die Fähigkeit zum Mitleid?

Mosebach: Das glaube ich überhaupt nicht. Es geht ihm gar nicht darum. Es geht in dem Text gar nicht darum, dass er sich das Leid der Migranten und der Flüchtlinge nicht zu eigen machen wollte. Es geht um seinen Ort in der deutschen Literatur, um seine eigene Tradition, in die er sich stellt, seine Zugehörigkeit zu einem bestimmten Traditionsstrom, in dem er sich sieht und den er filtert und den er insgesamt in Gefahr befindet, und da kann ich ihm nur recht geben. (Deutschlandfunk)

Der Stern hat ein Bild des letzten Deutschen gefunden - auch von einem Romantiker, der allerdings schon etwas länger nicht mehr unter uns weilt. Wer im Supermarkt an der Kasse zu lange in Richtung Zeitschriftenregal blinzelt, sieht, wie Caspar David Friedrichs Wanderer über dem Nebelmeer nicht auf eine Wand aus Nebel blickt, sondern auf einen Strom von Flüchtlingen. Darunter steht in großen weißen Buchstaben geschrieben: „Wie viele Flüchtlinge verträgt Deutschland? Die Zuwanderung spaltet unsere Gesellschaft. Ein Report“. Und während man den Titel liest und sich dabei an den Kopf fasst, hofft man, dass sich das Meer teilt und alle mit trockenen Füßen bei uns ankommen.

 

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