Wenn der Maler Daniel Richter eine Party feiert, dann am besten in der Hafenstraße. Aber nicht in Hamburg, sondern in Frankfurt. An der Grenze zum Gallusviertel ist das Bahnhofsviertel noch nicht domestiziert. Hier gibt es eine Menge leerstehender Gebäude aus der Zeit, als das Gebiet zwischen dem Bahnhof und dem F.A.Z.-Hauptquartier Boomtown war. “Da liegen die Crack-Raucher zwischen den Hochhäusern herum,” hat Christian Kracht einmal geschrieben.
Vor ein paar Wochen hat in einer alten Spielothek ein neuer Club aufgemacht. Eine Straße weiter, in der Hafenstraße, hat noch ein Club aufgemacht. Der heißt Hafenstraße 51 und ist im zweiten Untergeschoss. Über Rampen geht es in den Keller unter dem Commerzbank Trading Center, Baujahr 1976. In einen von der Finanzwelt vergessenen Randbereich.
Natürlich passen Techno und mit Rohbeton ausgekleidete Kellerräume sehr gut zusammen. Also Berliner Technokitsch, nur im Frankfurter Bahnhofsviertel, in einer Straße die ausgerechnet auch Hafenstraße heißt. Daniel Richter muss gelegentlich erklären, dass er nie in einem der besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße gewohnt hat. Aber in der Gegend hat er sich viel herumgetrieben in den späten 1980ern und frühen 1990ern, an den Orten, die man gerne linksautonomes Milieu nennt.
Da ist Richter nämlich gelandet, nachdem er in der norddeutschen Provinz mit Rocko Schamoni und Schorsch Kamerun kennengelernt hat. Schamoni hat dann mit Studio Braun den Telefonstreich nicht erfunden, aber das Genre entscheidend geprägt. Kamerun hat eine Punkband gegründet, die Goldenen Zitronen. Und Richter hat erst selbstbedruckte T-Shirts verkauft und sich dann an der Kunsthochschule beworben.
Auf St. Pauli gibt es den Golden Pudel Club, 1988 von Kamerun und Schamoni gegründet, 1994 ist der Club in die Nähe der Hafenstraße gezogen. Hinter dem Tresen hing, neben Jonathan Meese und Albert Oehlen, auch ein Bild von Richter. In der Gegend um den Pudelclub gibt es nicht mehr so viele besetzte Häuser, die Mieten sind gestiegen, und ohne den Club und die Künstler in seinem Umfeld wäre das wahrscheinlich nicht passiert. Obwohl man also von einer gegenkulturellen Position Gentrifizierung ablehnt, sind die ehemaligen Hafenstraßenpunks auch deren Agenten. Kamerun ist jetzt Theatermacher, Schamoni hat schon einige Romane geschrieben, und Richter hat jetzt eine große Schau in der Schirn. Er feiert die Party mit DJ Koze in einer alten Tiefgarage in einem unerschlossenen Teil des Frankfurter Bahnhofsviertels, der gerade auf dem Weg ist, hip zu werden. Man hört schon die Gentrifizierungsschelte. Aber weder Richter, noch sein Hamburger Umfeld sind dafür bekannt, auf Orthodoxien zu bestehen. Sich neu erfinden, unlesbar bleiben: Darf man das eigentlich als Punk? Das ist schon OK.
Die Schirn Kunsthalle in Frankfurt zeigt bis zum 17. Januar 2016 die Ausstellung „Hello I Love You“ mit neuen Arbeiten von Daniel Richter.
Titelbild: Daniel Richter, „Hello, I love you,“ 2015, 200 x 300 cm, Öl auf Leinwand, © VG Bild-Kunst, Bonn 2015.Foto: Jens Ziehe. Courtesy the artist.