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Vom Verschwinden der Stadt. „Esprit Montmartre“ in Frankfurt

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Mitte der 1840er wurden die Straßen in Paris flächendeckend mit Gas beleuchtet. Damit veränderte sich der Alltag in der Großstadt grundlegend, denn war das Leben zuvor vom Tageslicht bestimmt, war es nun auch sicher, bei Nacht unterwegs zu sein. Was Kafka später „das nervöse Zeitalter“ nennen wird, nimmt mit der künstlichen Verlängerung des Tages seinen Anfang. Die Moderne ist geprägt von einer Sehnsucht nach Helligkeit und Klarheit. So heißt die Aufklärung auf französisch lumières und auf englisch enlightenment.

Licht und Klarheit sind aber nur eine Seite der Moderne. Wenn der Flaneur auch bei Nacht flanieren kann und an Orten wie Montmartre alles, was bei Tag passiert, nachts vertraut und fremd zugleich wiederkehren kann, ist Schärfe und Klarheit vielleicht nicht die Darstellungsweise der Wahl. Unschärfe und Unklarheit sollen in der Fotografie seit den 1870ern für einen immer wieder umstrittenen Kunstcharakter bürgen. Spätestens die Impressionisten haben versucht, in Farbflecken so etwas wie den flüchtigen Eindruck der Großstadt zu simulieren.

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Henri Evenepoel, „La Nuit à Paris“, 1895. Abbildung aus dem Katalog zur Ausstellung „Esprit Montmartre.“

Zähes Licht

Henri Evenepoels „Nuit à Paris“ ist auch unscharf, hat aber nichts mehr von der flüchtigen Leichtigkeit eines Manet, Monet oder Degas. Es ist unter den ersten Gemälden, denen man beim Betreten der Ausstellung „Esprit Montmartre“ in der Schirn begegnet. In schweren Ölfarben zeigt das Bild eine Straßenszene, im Vordergrund eine Frau, ihr Gesicht unter einem Hut gespenstisch hell. Vielleicht hält sie die rechte Hand vor ihr Gesicht, aber in jedem Fall scheint sie sich wie unter Mühen fortzubewegen. Im Hintergrund sind zwei Droschken zu erkennen, aber nur noch als Schattenrisse mit unbestimmter Kontur. Alles, was hinter der Frau liegt, ist flach. Die Laternen werfen keinen Schein. Stattdessen sind die Lichter in dicken Farbklumpen auf die Leinwand gesetzt. Die Stadt ist nur noch zu erahnen als möglicherweise materielle Begrenzung, die im Schwarz verschwindet.

Als Evenpoel 1895 Nuit à Paris malte, war er gerade Schüler von Gustave Moreau. Im Winter 1897 reist er nach Nordafrika, und als er von dort zurückkehrte, hat sich seine Palette aufgehellt. 1899 starb der Maler in Paris im Alter von 27 Jahren an Typhus.

Die Ausstellung „Esprit Montmartre“ in der Schirn Kunsthalle Frankfurt läuft noch bis zum 1. Juni 2014. Der Katalog zur Ausstellung ist im Hirmer-Verlag erschienen.

Titelbild: © Schirn Kunsthalle Frankfurt, 2014, Foto: Norbert Miguletz.

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