Wenn Instagram zum Spielplatz wird: Museen, Ausstellungshäuser und Kultureinrichtungen probieren auf Instagram, was man machen kann. Wir erklären, wie es noch besser gehen kann. Eine Handreichung und ein Erfahrungsbericht nach zwei Jahren This Ain’t Art School auf Instagram.
Vor fast genau zwei Jahren habe ich aus Frustration über die immer gleichen Bilder auf Instagram mit dem begonnen, was This Ain’t Art School heute noch ist. Ein Spielplatz für alle, die sich nicht für Likes und Follower interessieren, denen es egal ist, ob ein Bild in ihr kuratorisches Konzept oder thematisch zu ihrem Account passt, die sich mit Fotografen und Fotografie beschäftigen wollen und denen es zu wenig ist, immer nur Treppenhäuser, Pfützen, Sonnenuntergänge, Gässchen und stehende, lehnende oder springende Menschen zu sehen zu bekommen. Instagram hat eine eigene Ästhetik geprägt und das ist auch gut so. Man sieht sich nur irgendwann satt daran oder möchte mehr oder anderes, wenn man endlich herausgefunden hat, wie man möglichst viele Likes und noch mehr Follower bekommt, wenn man weiß, dass die Accounts mit den vielen Followern nicht immer die besten, sondern oftmals die gefälligsten Fotos machen. Die Bilder, die der Ästhetik von Instagram entsprechen und ein warmes Werbeumfeld schaffen – wie ich kürzlich im Media Kit eines Instagrammers las. Das führt dazu, dass Instagram über einen Platz auf der Suggested User Liste dafür sorgt, dass der jeweilige Account in zwei Wochen um einige Zehntausende Follower wächst. Da geht es schon einmal von knapp 1.000 Followern hoch auf 70.000. Das kann ein Antrieb sein, muss es aber nicht.
Warum ich das alles erzähle? Weil Museen, Ausstellungshäuser und Kultureinrichtungen auf Instagram endlich auch herumprobieren und schauen wollen, was man machen kann. In den letzten Wochen und Monate liefen einige Contests mit bisweilen mäßigem Erfolg – in einigen Fällen trotz guter Ideen fast gänzlich ohne Beteiligung. Ich meckere und schimpfe gern, wie mir auf Twitter nachgesagt wird, wenn es um Museen und Instagram geht. Zum Beispiel im Anschluss an den Text mit dem Titel GIF me more über Museen und ihre Aktivitäten auf Twitter und Instagram. Ein Auszug daraus:
„Funktioniert aber die von einer Kultureinrichtung allein oder gemeinsam mit einer PR-Agentur konzipierte Onlinekampagne nicht, sind die sozialen Medien Schuld. Immerhin wurde der Beweis erbracht, dass das alles sowieso nichts bringt. Nur, war es vielleicht einfach die falsche Kampagne auf dem falschen Kanal mit zu wenig Zeit, Personal, Fachwissen und Budget? Twitter stagniert, während das soziale Fotonetzwerk Instagram wächst und wächst. Nach fünf Jahren sind es jetzt 400 Millionen Nutzer. Aber wozu Kunst fotografieren, wenn man darüber twittern kann?“
Der Text war wenig konstruktiv, stimmt, das sollte er aber auch gar nicht sein. Ich wollte lediglich auf ein Problem aufmerksam machen und da ist ein rant im Internet gerne mal das Mittel der Wahl. Mittlerweile also versuchen sich Museen an Contests oder Challenges auf Instagram und da ich mit This Ain’t Art School Erfahrungen in diesem Bereich gesammelt habe, kann ich an dieser Stelle vielleicht ein wenig behilflich sein.
This Ain’t Art School ist kein Museum, was uns auf Instagram einen gewissen Vorteil verschafft. Alle bisher an TAAS Beteiligten (@lindaberlin, @hypercatalecta, @jorgsengers) sind Teil der Community auf Instagram. Die Community ist es auch, die Instagram von Facebook unterscheidet. Auf Instagram kennt man sich, wie man sich auf Twitter irgendwie kennt, wenn man dort regelmäßig aktiv ist. Bei Instagram kommt hinzu, dass man sich zum Fotografieren mit den ortsansässigen Instagrammern verabredet, wenn man in einer anderen Stadt ist. Das Netzwerk ist also ein anderes als das eines Museums und vor allem ist es ein persönlicheres.
Museen senden in der Regel auf Instagram, suchen das Gespräch nicht, teilen Infos mit zu den Öffnungszeiten über die Feiertage, über Sonderveranstaltungen, Führungen, neue Ausstellungen. Und jetzt kommen Challenges und Contests hinzu. Einerseits möchte man den Nutzern auf Instagram etwas bieten, andererseits möchte man etwas von ihnen. Ihre Bilder, ihre Reichweite, ihr Engagement. Nur vergessen Museen oft, dass sich das Kräfteverhältnis auf Instagram verschoben hat. In Deutschland gibt es kaum Museen und Kultureinrichtungen, die mehr als 10.000 Follower haben, oft sind es unter 5.000. Viele, sehr viele Instagrammer wiederum haben zwischen 10.000 und 500.000 Followern. Die einen verdienen ihren Lebensunterhalt mit ihrem Account, die anderen wissen, dass ihre Reichweite etwas wert ist, sie werden von Unternehmen für Werbung auf dem eigenen Account bezahlt oder dafür, dass sie Bilder und Videos für den Account des Unternehmens produzieren. Das heißt nicht, dass Instagrammer nicht gern an Contests oder Challenges teilnehmen oder ihre Bilder zur Verfügung stellen. Das heißt vielmehr, dass man sich als Museum bewusst sein sollte, in welchem Umfeld man sich bewegt. Und dass man sich Gedanken darüber machen kann, was Instagrammer interessiert, was man selbst bietet und was man verlangen oder besser gesagt, was man erwarten kann. Ich bin mir sicher, dass es einen Mittelweg gibt zwischen „Hergehört, hop hop, schickt uns Eure Fotos per Mail bis Montag“ und „Macht Fotos von Euch in Eurem hübschesten Kleid oder Euren schönsten Schuhen!“
Instagrammer wollen fotografieren, sie suchen nach Herausforderungen, auch wenn sich nicht alle als Fotografen im Sinne von Martin Parr oder Henri Cartier-Bresson verstehen und folglich andere Ansprüche an ihre Bilder haben. Ihre Fotos müssen auf Instagram funktionieren, das heißt performen. Likes und Kommentare sammeln. Ein Contest wiederum muss zur Plattform und den Bedürfnissen der Nutzer passen, damit er funktioniert. Was braucht es dafür?
1 Hashtag und keine Mailadresse, an die die Bilder gesendet werden sollen. Am besten gestern.
1 Hashtag, das es auf Instagram noch nicht gibt, das vielleicht eine Abwandlung von einem bekannten Hashtag auf Instagram ist. Wie wollen Sie sonst die Einsendungen sichten? Und wie sollen die Teilnehmer sonst voneinander lernen oder sehen, was schon eingereicht wurde? Ein Beispiel: #makebodyportraits als Abwandlung von #makeportraits und #makebikeportraits. Assignments von TAAS bestehen meist aus 3 Aufgaben plus einer Bonusaufgabe. Es gibt immer ein Hashtag, das sich aus dem Vor- und dem Nachnamen des Fotografen zusammensetzt und mit assignment endet, also: #martinparrassignment, #stephenshoreassignment, #wesandersonassignment. Bei den einzelnen Aufgaben greifen wir manchmal zur Erklärung auf bekannte Hashtags wie #shadowselfie zurück. Das macht nichts, da die Teilnehmer alle Bilder mit beispielsweise #martinparrassignment taggen. Wenn Sie als Museum aber nun sagen, verwendet #staedel in Zusammenhang mit #botticelli, wird es schwer, die Einsendungen zu finden. Alles schon so auf Instagram gesehen. Gleiches gilt übrigens auch für die Wahl von Hashtags zu Ausstellungen. Wenn in Ihrem Museum eine Einzelausstellung zu Gerhard Richter zu sehen ist, hilft es Ihnen nicht viel in der Kommunikation, wenn das auch das Hashtag für die Kommunikation Ihrer Ausstellung in den sozialen Medien ist. Auf Instagram vertaggen die Nutzer sowieso automatisch die Bilder mit dem Namen des Künstlers.
1 Laufzeit Denken Sie daran, dass Zeit zum Fotografieren sein muss, zum Lösen der Aufgabe, zum Experimentieren. Aber nicht zu viel Zeit, da die Aufmerksamkeit sonst weg ist. Zwei bis drei Wochen bieten sich an, ein Wochenende ist zu wenig.
0 Top Preise Sie brauchen keinen teuren Hauptgewinn, nicht 10 kleine Preise und dann auch noch unbedingt drei große Preise als Anreiz. Instagrammer freuen sich über eine Herausforderung und vielleicht ein Feature auf Ihrem Account.
0 Verwechslung mit kostenloser Content Creation für Ihren Account oder kostenloser Werbung für Ihren Contest. Wenn Sie möchten, dass reichweitenstarke Instagrammer auf Ihren Contest aufmerksam machen, zeigen Sie sich erkenntlich. Die Gegenleistung müssen nicht Hunderte von Euro sein. Obwohl: Geld ist natürlich nie verkehrt, oder womit zahlen Sie Ihre Miete? Das könnte eine Jahreskarte sein, ein Katalog, vielleicht sogar nur zwei Eintrittskarten. Sie zahlen ja schließlich auch dem Fotografen Geld, der Ihre Veranstaltung fotografiert oder Bilder für die Website liefert, sie zahlen für Anzeigen in Kunstmagazinen und Zeitungen und dafür oft nicht zu wenig. Wenn Sie mit Influencern arbeiten, achten Sie darauf, dass es von beiden Seiten aus passt. Die Followerzahl sollte nicht das entscheidende Kriterium sein, vor allem in Zeiten der Inflation von Influencern, die heute für eine Sonnenbrille, morgen für ein Auto, übermorgen für Salzstangen und in zwei Wochen dann endlich auch für Ihren Contest werben. Irgendwann schalten die Follower ab, sehen sich nur noch die Bilder an, lesen aber die Bildunterschriften nicht mehr. Ergänzend hierzu als Lektürehinweis: André Krüger, Woher kommen plötzlich all diese Influencer?
0 Bedingungen wie: Ihre Teilnahme ist nur gültig, wenn Sie unserem Account folgen.
1 Konzept Sie haben sicherlich einen Social-Media-Manager in Ihrem Team. Lassen Sie ihn oder sie das machen. FSJler und Praktikanten müssen zwar beschäftigt werden, haben aber in den meisten Fällen nicht die nötige Erfahrung. Oder lassen Sie Praktikanten auch das Ausstellungsplakat entwerfen und an die Druckerei senden? Wenn Sie einen Freelancer buchen, achten Sie darauf, dass er/sie einen aktiven Instagram-Account vorweisen kann mit Fotos, die nach Fotografie aussehen und dem im besten Fall ein paar Leute folgen (nicht unbedingt nur 50, Erfahrung im Community Building sollte vorhanden sein). Oder stellen Sie einen Kurator ein oder buchen einen freien Kurator, der als Referenz mitbringt „Ja, also, ein Kunsthistorischen Institut habe ich mal von Innen gesehen, als ich in Florenz Urlaub gemacht habe“?
11!11!!!!1111!!111 Virale Verbreitung. Womit wir wieder am Anfang wären. Ein Contest verbreitet sich nur viral, wenn Sie ein Hashtag haben und die Bilder via Instagram „eingereicht“ werden. Ein Contest auf Instagram sollte dort stattfinden. (Ggf. mit Verlängerung auf Twitter und Facebook.)
Wenn ein Contest richtig konzipiert und gut ausgeführt wurde, kommen schon mal 1.000 Bilder und mehr zusammen. Beim #juergentellerassignment waren es über 2.000 Bilder von Teilnehmern aus der ganzen Welt.
This Ain’t Art School gibt es, weil wir uns vor zwei Jahren gefragt haben, was wohl passiert, wenn wir sagen, lasst uns losgehen, etwas anderes fotografieren und das mit einer Aufgabe im Kopf. Im System Magazine war kurz zuvor ein Gespräch zwischen Juergen Teller und Hans-Ulrich Obrist erschienen. Der Starkurator fragte den Modefotografen, der gerade Professor an der Akademie in Nürnberg geworden war, wie er mit seinen Studenten arbeite. Teller erzählte also, welche Aufgaben er seinen Studenten stellt, wir nahmen diese Hausaufgaben und machten daraus das #juergentellerassignment. Ein vielleicht etwas zu frecher Akt der Aneignung, Richard Prince wäre sicherlich nicht einmal rot geworden, mir war es zwischenzeitlich unangenehm, weil die ganze Geschichte völlig unerwartet für großes Medieninteresse und noch größere Begeisterung auf Instagram sorgte. Irgendwann später hatte ich die Gelegenheit Juergen Teller zu fragen, ob er das alles blöd oder nicht okay fand, er schüttelte den Kopf. Aus dem #juergentellerassignment wurde This Ain’t Art School. Gerade läuft unser zwölftes Assignment, dieses Mal geht es um das Werk des britischen Fotografen Martin Parr.
Wenn Sie Fragen haben, der Kommentarbereich gehört Ihnen.
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Super Artikel! Ganz herzlichen Dank dafür. Er regt zum Nachdenken und vor allem auch Ausprobieren an.
Viele Grüße,
Stephanie Müller
Sehr gern! Und viel Freude beim Ausprobieren!