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Monochrome Farbklänge. Günther Förg in Hamburg

„Kann man super zu Hause nachmachen!“, lautet einer der Kommentare auf Instagram zu einer Ansicht der Ausstellung Günther Förg - Wandmalerei in den Hamburger Deichtorhallen. Tatsächlich hatte der Künstler Günther Förg nach seinem Studium an der Kunstakademie in München sein Geld als Anstreicher verdient. Und die erste Wandmalerei entstand in den späten 70ern in der Wohnung eines Freundes. Die zweite dann in den eigenen vier Wänden in der neu renovierten Wohnung in München. Er bemalte die rechte Hälfte einer Wand mit gelber Farbe. In der Ausstellung sind jetzt 25 von etwa 140 seiner Wandmalereien  zu sehen. Darunter auch der Wandteiler in Rapsgelb aus dem Jahr 1978.

Günther Förg ist 2013 verstorben. Deshalb musste die bereits geplante Ausstellung post mortem realisiert werden. Wie der Pressemitteilung zu entnehmen ist, freute sich der Künstler auf die Ausstellung in den Deichtorhallen. Dieses Statement soll sicherlich den Kritikern den Wind aus den Segeln nehmen, die sich fragen, warum die Ausstellung nach dem Tod des Künstlers überhaupt umgesetzt wurde. Den Anstrich der Wände mussten nämlich Maler besorgen. Aufgetragen wurden die Farben nach Angaben von Förg. Genutzt wurde dafür die bestehende Ausstellungsarchitektur in den Deichtorhallen.

Wo vor wenigen Wochen noch zahlreiche Varianten von Picasso in der Kunst der Gegenwart hingen, sind jetzt raumfüllende Malereien an den Wänden zu sehen. In Honiggelb, Graublau, Verkehrsrot, - schwarz, - blau, Hellelfenbein, Stahlblau, Himmelblau, Korallenrot, Tieforange, Gelbgrün und Cremeweiß. Drumherum strahlt der White Cube wie selten in Ausstellungsräumen, denn zwangsläufig ist auch viel Fläche frei geblieben. Ist die Ausstellung vorbei, werden die Wände abgebaut, um wieder einmal Platz für Neues zu machen. Die Kunst verschwindet. Und da mit den künstlerischen Wandmalereien post mortem umgegangen wird, als ginge es nur darum, eine Wohnung neu zu streichen, zieht der Intendant der Deichtorhallen entwaffnend einen Vergleich mit der Musik heran. Dirk Luckow möchte die Wandmalereien in der Ausstellung mit Musikkompositionen vergleichen. Ein Musikstück wurde irgendwann komponiert und wird dann immer wieder aufgeführt und neu interpretiert. So ergeht es jetzt auch den Wandmalereien von Förg. Oder wie Luckow es formuliert: „Es ist also eine Inszenierung von Choreographien der Wandmalereien von Günther Förg.“

Der Künstler selbst interessierte sich für Farbe, Form und Architektur. Auf dem Weg der radikalen Reduktion der Malerei wurde Förg von Cy Twombly inspiriert, er beschäftige sich mit Robert Ryman und Blinky Palermo, als er mit metallischen Bildträgern experimentierte. Später folgten Versuche mit Stoffbildern, für die er Fahnenstoffe auf Keilrahmen und Holztafeln montierte. Die Entgrenzung des Tafelbildes war schon in der amerikanischen Farbfeldmalerei bei Barnett Newman oder Mark Rothko ein Thema. Von der „‚inszenatorischen Wandmalerei‘ der Achtziger Jahre“ (Markus Brüderlein) ist die Rede, wenn über die Künstler gesprochen wird, die über das Tafelbild hinausgegangen sind, wie Palermo, Gerhard Merz oder Daniel Buren.

Mit seiner Malerei im realen Raum strebte Förg einen monochromen Farbklang an, die Malerei setzte er in Beziehung zur Architektur - die Farbe akzentuiert den Raum. Beim Gang durch die Räume der Ausstellung mag einem die RTL Einrichtungsfee Tine Wittler für einen kurzen Moment in den Sinn kommen. Denn es lässt sich schwer abstreiten, dass die Raumorganisation und die Farbkonzepte nicht auch dekorativ sind. Im Katalog zur Ausstellung schreibt Max Wechsler über Strukturen, die Stimmungen erzeugen, über ein komplexes System von Beziehungen, dass die Bild- und Raumorganisation in Schwingungen geraten lässt. Und er betont, dass es Förg nicht „um farbige Wände in einem dekorativen, sondern um Malerei im eigentlichen Sinne ging, um malerische Qualität.“ Für den Künstler war die Form des Farbauftrags entscheidend, der malerische Vortrag. Rollen lehnte er ab. Wenn es nötig war, grundierte er die Wand und wählte das Farbmaterial - sei es ein Fertigprodukt oder ein natürliches Pigment - und die Typen von Pinseln und Bürsten aus.

Aber vielleicht lässt man zum Abschluss einen anderen Künstler zu Wort kommen, der großflächig Farben und Formen installiert. Daniel Buren hat gerade für die Tottenham Court Road Station seine erste dauerhafte Installation in London geschaffen. Im Interview mit dem Monopol Magazin (07/2015) sagt er über sein Werk dort: „Ob jemand meine Arbeit als Kunst ansieht, stehen bleibt und sich damit beschäftigt oder sie nur im Vorbeigehen als visuelles Element wahrnimmt, als Dekoration gar, ist mir egal. Ich versuche nur, so präzise wie möglich zu sein. Dann setzt die Arbeit alle möglichen Assoziationen frei, und die Menschen können damit verbinden, was sie wollen.“

 

Verkehrsrot. Verkehrsschwarz. Wandmalerei Köln. Ausstellung von Günther Förg in der Galerie Max Hetzler, 1985. Links: Rouge vif und Vert vif 2. Wandmalerei München. Ausstellung „behind the window, Günther Förg & Thomas Kratz“, arte mak - Archiv für Technik und Arbeitsmaterialien, 2008 in München.

Verkehrsschwarz, Verkehrsrot. Wandmalerei Basel. Ausstellung „Fokus: Günther Förg / Bernhard Frize“, Museum für Gegenwartskunst, 2006. Rechts wieder: Rouge vif und Vert vif 2. Wandmalerei München. Ausstellung „behind the window, Günther Förg & Thomas Kratz“, arte mak - Archiv für Technik und Arbeitsmaterialien, 2008 in München.

Reinrot. Verkehrsgrün. Wandmalerei Casino Siemens. Siemens AG Casino, 1995 in München.

Verkehrsschwarz. Wandmalerei Basel. Ausstellung „Fokus: Günther Förg / Bernhard Frize“ im Museum für Gegenwartskunst, 2006.

Tierforange. Verkehrsschwarz. Wandmalerei Wien. Ausstellung von Günther Förg in der Galerie Peter Pakesch, 1986.

Persischorange + Caput Mortuum. Wandmalerei Den Haag. Ausstellung „Gabi Dziuba Günther Förg“ in Haags Gemeentemuseum Stadhouderslaan, 2006.

Wandmalerei München. Wohnung Günther Förg, 1978.

Korallenrot, Himmelblau, Stahlblau. Wandmalerei Siemens München. Siemens AG ZN München, Karl Heinz Beckurts Saal, 1992. Links, die rapsgelbe Wand: Wandmalerei München. Wohnung Günther Förg, 1978.

Verkehrsblau. Verkehrsrot in der Mitte. Wandmalerei Köln. Wohnung Max Hetzler & Günther Förg, 1978. Rechts, die zinkgelbe Wand: Wandmalerei Amsterdam. Ausstellung Galerie van Krimpen, 1987. Und links wieder Himmelblau und Stahlblau. Wandmalerei Siemens. Siemens AG ZN München, 1992.

 

Die Ausstellung „Günther Förg - Wandmalerei“ ist noch bis 25. Oktober 2015 in den Deichtorhallen in Hamburg zu sehen. Begleitend zur Ausstellung sind im Snoeck Verlag zwei Publikationen erschienen.
Die Deichtorhallen auf Instagram.

Alle Fotos: Anika Meier (iPhone 5S).

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