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In Farbgewittern. Jonathan Meese in Berlin

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Die Berliner Galerie Contemporary Fine Arts vertritt Jonathan Meese zwar nicht mehr, zeigt aber in der Schau „Johnny Come Home II“ Arbeiten des Künstlers aus dem Jahr 2006. Im zweiten Stock der Galerie am Spreeufer hängen Gemälde, fast alle im gleichen Format, und zwei Plastiken sind zu sehen. Was nach Gesamtkunstwerk klingt, ist vielleicht der Wunsch, noch einmal von vorne anzufangen.

Die erste Plastik – genauer: Statue – heißt „Dr. No (Meesaint Just II mein ich, die Warheit)“. Das Bronzestandbild zeigt den salutierenden Kunst-Messias Meese heroisch, aber mit zerfließender, rauer Oberfläche. Wie als Komplement steht in einem abgeteilten Raum nebenan „Napoleon“. Ebenfalls in heroischer Pose, mit Zweispitz und wie behangen mit Lumpen, verwirren beide Plastiken doch mit ihrem Naturalismus. Aber die Figuren ähneln denen, die sich auf Meeses Leinwänden finden.

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Kunst-Messias Meese: „DR. NO (Meesaint Just II Mein Ich, die Warheit)“, 2006, Bronze, Foto: Jochen Littkemann.

 

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Meeses Materialschlacht. „Napoleon“, 2006, Bronze, Foto: Jochen Littkemann.

 

Die Leinwände sehen aus, als wären sie schnell mit Farbe beschmiert worden. Figuren, wie Kinderzeichnungen, versehen mit Parolen in Großbuchstaben, hängen an den Wänden. Wie Reste einer vergangenen Zeit, in der Wörtern wie „total“ und Vorsilben wie „Erz-“ noch ein Heilsversprechen unterstellt wurde. So scheint es Meese um eine archetypische Kreativität zu gehen, deren Artefakte an Toilettenwänden und auf Schulbänken hinterlassen werden. Immer wieder steht Pennälerwitz neben totalitären Proklamationen.

Die Gemälde zeigen meist Figuren in Gänze, eins trägt den Titel „Das Muttertier versprach“. Der Hintergrund ist rosarot, darauf sind mit orangener Farbe flüchtig die Umrisse eines Wesens zu erkennen, das aussieht wie die unfreundliche Variante von Dr. John Zoidberg, der Hummer aus „Futurama“ – wie die meisten Figuren aus Meeses Kuriositätenkabinett ist er mit einem ungelenk gezeichneten Penis versehen. Über der Figur mit dem Garnelengesicht steht dann aber „Dr. Hai“, und vor sein Gesicht hat Meese mit weißer Farbe „Nein“ gepinselt. Daneben ein stilisiertes eisernes Kreuz.

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Dr. Hai und Dr. Zoidberg: Meese collagiert. „Das Muttertier versprach…“, 2006, mixed media, Öl auf Leinwand, Foto: Jochen Littkemann.

 

Warum sollten Penisse und faschistische Symbole vom Kunstbetrieb geadelt werden? Ist die infantile Provokation nicht die Nabelschau des großen Kindes Meese, der seinen Dilettantismus ausstellt, indem er auch noch Fotos von seinem Gesicht auf die Leinwände klebt? „Maladolescenza“ steht am unteren Bildrand. Das heißt nicht nur die schlechte Erziehung, sondern es ist auch der Titel eines italienisch-deutschen Teenie-Films aus dem Jahr 1977. Die popkulturellen Referenzen werden nicht mit der distanzierten Ironie des Dandy-Connaisseurs präsentiert. Die offenbar wahllose Anhäufung, das palimpsestartige Überschreiben und Verneinen ist keine coole Camp-Geste. Wenn ein weiteres Meesesches Farbgewitter den Titel „Seepferdchen im Stahllabyrinth“ trägt, und darauf eine grinsende Figur in einer Art Uniform zu sehen ist (wieder mit eisernem Kreuz), scheint es um die Suche nach einem Nullpunkt von Kreativität zu gehen, den man mit der Postmoderne ausgeräumt glaubte. Das Ausgeschnittene, Aufgeklebte und die Filmreferenzen sind wie im Vorbeigehen aufgesammelt.

Eigentlich benutzt Meese ja Vokabular und Verfahren des Modernismus: Diktatur der Kunst und Montage. Dabei begibt er sich mit einer Unbeschwertheit auf die Suche nach der Essenz der Kunst und ist dabei vielleicht doch näher an Richard Wagner als an Marcel Duchamp. Meeses Gemälde versuchen eine urwüchsige Vitalität und Kreativität zu evozieren. Vielleicht passt es da ganz gut, dass Meese die Bayreuther Festspiele 2016 inszenieren wird. Aber weiß das große Kind im Trainingsanzug, wohin die Reise geht?

Die Ausstellung „Johnny Come Home II“ ist noch bis zum 22. März 2014 in der Galerie Contemporary Fine Arts in Berlin zu sehen.
Bilder: Courtesy Contemporary Fine Arts, Fotos: Jochen Littkemann, Titelfoto: Jens Ziehe.

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