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Alle Schönheit will Ewigkeit. Lagerfeld in Hamburg

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Man wäre ja gern dabei gewesen, als Karl Lagerfeld mit seiner Entourage durch Südfrankreich zog, um seine Version des antiken Liebesromans über die Findelkinder Daphnis und Chloe zu fotografieren. Lagerfeld im Rolls Royce an der Spitze, im Gefolge seine Lieblingsmodels Baptiste Giabiconi und Bianca Balti, viele Schafe und natürlich Verpflegung und reichlich Champagner. Teuer war der Spaß, ein Privatvergnügen von Lagerfeld. Inzwischen hängen die Fotos auf silber- und goldfarbenes Gewebe gedruckt unter dem Titel „Moderne Mythologie“ in der Hamburger Kunsthalle und bebildern zwei anlässlich der Ausstellung im Steidl Verlag erschienene Publikationen.

Lagerfeld teilt sich in der Kunsthalle das Sockelgeschoss mit Anselm Feuerbach. Die Wiesbadener Ausstellung „Nanna — Anselm Feuerbachs Elixier einer Leidenschaft“ ist nach Hamburg gewandert und wurde dort um ein vermeintliches Pendant des Malers in der Gegenwart ergänzt. Eine „Kontrastkoppelung“ - mit Werner Hofmann gesprochen - nennt der Direktor und Kurator Prof. Dr. Hubertus Gaßner das Konzept der Schau. Es gehe um das Verhältnis von Kunst und Mode, um Modelle, um Schönheit und die Frage, ob Mode heute zur Kunst geworden ist. Das Bindeglied zwischen dem Maler und dem Designer ist der Kult des Models. Man kann nun freilich von einer „oberflächlichen Gemeinsamkeit“ sprechen, die „Inhaltsleere dieser weitgehend sinnfreien Kombination“ anprangern und - Skandal - ausrufen, das sei die „totale Travestie jeglicher Ausstellungskonzeption“.

 

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Baptiste Giabiconi als Daphnis.

 

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Bianca Balti als Chloe.

 

Fakt ist, ein Anselm Feuerbach allein hätte keine Katze hinter dem Ofen hervorgelockt. Die üblichen Kunstinteressierten wären kennerhaft und kopfnickend durch das Museum gelaufen, hätten den Katalog gekauft und hätten in Vorfreude auf „Die romantische Arabeske“ die Kunsthalle verlassen. Die üblichen Kunstinteressierten laufen jetzt vermutlich kennerhaft und kopfnickend durch die rechte Seite des Sockelgeschosses, erfreuen sich an den sich ihnen immer wieder entziehenden Porträts von Anna Risi, Feuerbachs Nanna, die sich mal vom Betrachter abzuwenden scheint und mal im verlorenen Profil dargestellt ist, kaufen den Katalog, verlassen die Kunsthalle in Vorfreude auf „Die romantische Arabeske“ und sind irritiert von dem, was in der linken Hälfte des Sockelgeschosses präsentiert wird: die Fotos von Lagerfeld. Der Designer selbst ist beim Besuch seiner Ausstellung überrascht. „Ich kann mir kaum vorstellen, dass ich das gemacht habe“, sagt er im Interview. Er habe keinerlei Verbindung zu dem, was er da gemacht habe, er habe nur eine gute Verbindung zu dem, was er mache und machen werde. Seine Werke sieht er beinahe mit den Augen eines Fremden an und findet sie „gar nicht so schlecht“. Und irgendwie möchte man hier einhaken und Lagerfeld fragen, ob er das alles auch gar nicht so schlecht fände, wenn es nicht von ihm wäre. 

 

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Motive für Porno-Taschen? Die Serie „Body Freedom“ von Karl Lagerfeld starring Baptiste Giabiconi.

 

Da hat wohl jemand zu lange in Wilhelm von Gloeden Bildbänden geblättert und dann mit diesen Bildern im Kopf fotografiert, als müsse er neue Motive für die Porno-Taschen von Abercrombie & Fitch oder Hollister liefern. Baptiste räkelt sich in der Serie „Body Freedom“ - natürlich unbekleidet - in der Sonne an den Säulen der Villa Adriana, Sommersitz und Altersresidenz von Kaiser Hadrian. Womit man auch schon bei Antinoos angekommen ist, dem Jüngling, der vermutlich eine Liasion mit dem Kaiser hatte. Nach dessen frühem Tod erhob Kaiser Hadrian ihn zum Gott, Büsten und Skulpturen zeugen heute vom Kult um Antinoos. Einer, der ebenfalls einen jung verstorbenen Adepten zum Gott erhob und damit einen Kult initiierte, ist der Dichter Stefan George. Der junge Maximilian Kronberger hatte es dem Dichter angetan, wurde in dessen Kreis von jungen Männern aufgenommen, verstarb wenig später und wurde in der Dichtung Georges als Kind-Gott im Maximin-Mythos verewigt. Vor seinem Tod wurde Kronberger als wieder Leib gewordener Antinoos fotografiert, im Halbprofil mit Hirtenstab in der Hand und Kranz im Haar. Vielleicht ist Karl Lagerfeld mit seiner Serie „Body Freedom“ dem antiken Jünglingskult, der immer wieder auflebte, näher als einem Anselm Feuerbach. Bei ihm lebt das griechische Ideal der Kalokagathie wieder auf, die Verbindung von körperlicher und geistiger Vollkommenheit. Während der Dichter Stefan George dem Geist den Vorzug gab, ist Lagerfeld ganz Modezar und huldigt dem Körper. Alles Glück oder - besser noch - alle Schönheit will Ewigkeit, könnte man Nietzsche abwandeln. Man läge weder in der causa Lagerfeld, noch in der causa Feuerbach falsch.

 

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Karl Lagerfeld: Mise en abyme.

 

Der gemeine Museumsbesucher jedenfalls ist gekommen, um dem einen zu huldigen: Karl Lagerfeld. Der setzt munter seine Ideen in immer neuen Medien um und freut sich wahrscheinlich, wie der Museumsbesucher, dass ihm immer neue Plattformen gegeben werden. Vielleicht hätte man bei der Konzeption der Ausstellung mehr Fragen stellen müssen, um die richtigen Antworten zu bekommen, weniger auf Gemeinsamkeiten setzen und mehr Unterschiede in den Blick nehmen. Lagerfeld jedenfalls ist sein eigenes Mise en abyme.

Die Ausstellung „Feuerbachs Musen - Lagerfelds Models“ ist noch bis zum 15. Juni 2014 in der Hamburger Kunsthalle zu sehen. Die beiden Begleitpublikationen „Moderne Mythologie. Karl Lagerfeld“ und „Longus. Hirtengeschichten von Daphnis und Chloe. Mit Fotografien von Karl Lagerfeld“ sind im Steidl Verlag erschienen. 

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