Wolfgang Tillmans im Gespräch über Instagram, „Handygeknipse“ und das Bildermachen.
Eigentlich wollte ich nur ein paar O-Töne für einen Text und eigentlich hatte ich nur 10 Minuten, nun wurde daraus doch ein Interview. Wolfgang Tillmans kann ziemlich schnell reden, wenn man zu ihm sagt: „Guten Tag, wir müssen jetzt leider beide sehr schnell reden, ich habe viele Fragen und nur 10 Minuten Zeit bekommen.“ Wenn dann auch noch nach 8 Minuten laut gelacht wird, weil er erzählt, dass er betrunken Fotos auf Instagram postet, ist das wohl das Signal zu sagen, so, das war’s, next one, please. Und dann ist es gut, dass er trotzdem einfach weiterredet. Was Wolfgang Tillmans alles in knapp 8 Minuten sagt über „Handygeknipse“, Instagram und das Bildermachen, das kann online beim Monopol Magazin nachlesen.
Ein Auszug:
Hat Ihnen jemand gesagt: „Wolfgang, Du musst dieses Instagram machen?“
Nee, nee, das hat mir niemand gesagt. Assistenten beim Ausstellungsaufbau in Santiago de Chile haben mir nahegebracht, was Instagram für sie bedeutet. Dass es eine interessante Art von Denken ist. Und ich glaube, es gab da einen Satz, den ich von Präsident Obama gelesen hatte über seinen Iran-Vertrag. Diesen Satz fand ich so berührend, dass ich ihn fotografiert und vervielfältigt habe. Eben habe ich in einem anderen Interview gesagt, dass ich das Medium Fotografie gewählt habe, weil ich liebe, was ich damit bildnerisch machen kann.
Aber ich mag es eben auch, weil es Gedanken vervielfältigen und verstärken kann. Das sind Grundbedürfnis und Ursache gewesen, warum ich als Künstler von Anfang an gewählt habe, in Ausstellungen und Medien zu arbeiten. Weil ich diese Verbreitung mag.
Chris Dercon hat Sie kürzlich im Interview mit Monopol einen „Verstärker“ genannt. Über Instagram erreichen Sie die Leute noch direkter.
Ja, das ist aber nur ein Kanal. Das Verrückte ist, dass auf diesen bierdeckelgroßen Bildern tatsächlich eine Qualität kommunizierbar ist. Bei der Arbeit an den beiden Ausstellungen, in der Tate und in der Fondation Beyeler, habe ich allerdings wieder gemerkt, dass das, was Du in einer Ausstellung direkt körperlich vor einem Bild erleben kannst, nicht ersetzbar oder austauschbar ist durch eine gedruckte Seite oder ein elektronisches Bild.
Und dann habe ich noch für Monopol aufgeschrieben, warum Instagram ein bisschen mehr wie bei Wolfgang Tillmans sein sollte. Hier entlang bitte zum ganzen Text:
Ein Auszug:
„Was an Instagram am meisten nervt, ist die penetrante Arbeit am Alltag. Vor zwei Jahren machte ein Text über Instagram die Runde, der in der Welt erschienen war. Die Autorin beklagte, dass Instagram unser Wohlstandsleben versaut habe, weil wir keine Privatmenschen mehr sein können. Alle müssten wir alles teilen, damit wir allen zeigen könnten, wie toll alles sei. Freunde, Essen, Freizeit, Wohnung. Toll, alles toll. Und dann stand in diesem Text dieser eine Satz, der Wolfgang Tillmans, wenn er ihn gelesen hat, sicherlich die Tränen in die Augen getrieben hat: ‚Jeder konnte jetzt wie Wolfgang Tillmans sein, selbst ein Künstler, der sein Leben herzeigt wie ein offenes Buch, jeder konnte das Stillleben seines Alltag erschaffen.‘ Öhm. Irgendwie wäre das Leben natürlich um einiges leichter und schöner und aufregender, wenn das Teilen von Bildern auf Instagram aus jedem einen Künstler macht. Gerade erzielen die Fotografien von Tillmans Auktionsrekorde, wann ist es bitte endlich bei mir soweit?
In Zukunft ist nicht jeder dank Instagram ein Wolfgang Tillmans. Trotzdem wäre es ziemlich gut, wenn Instagram ein wenig mehr wäre wie Wolfgang Tillmans. Instagram wäre endlich ein politisches Medium, es wäre weniger überflutet und noisy, weniger verzweifelt kitschig, weniger gierig nach Aufmerksamkeit und der Blick auf Körperlichkeit wäre angstfrei.“
Noch bis 1. Oktober ist die Ausstellung von Wolfgang Tillmans in der Fondation Beyeler zu sehen, bis 11. Juni läuft seine Ausstellung 2017 in der Londoner Tate und ab 23. September ist seine Ausstellung im Hamburger Kunstverein zu sehen.
Titelbild: Wolfgang Tillmans, Nite Queen, 2013