Essay
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Stehlen, fälschen, betrügen, beschlagnahmen. Die spektakulärsten Verbrechen der Kunstwelt 2015

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Wahrscheinlich war der Vandalismus an Anish Kapoors Plastik im Park von Versailles das Kunstverbrechen, das 2015 die meisten Schlagzeilen generiert hat. Denn Kapoors Arbeit „Die Vagina der Königin“ (auch: „Dirty Corner“) hat erst wegen ihrer, nun ja, sexuellen Anspielung für Ärger gesorgt. Dann wurde sie mit antisemitischen Parolen beschmiert. Kapoor hat übrigens auch einen Instagram-Account namens @dirty_corner. Man vermutet es: Dort fotografiert er schmutzige Ecken.

Überhaupt ist Kunst im öffentlichen Raum anfällig für Beschmierungen und mutwillige Zerstörungen. Aber es gibt natürlich auch die klassischen illegalen und halblegalen Aktivitäten rund um Kunst: Fälschen, Stehlen, Urheberrechtsstreit. Es gibt unklare Provenienzen und zwielichtige Kunsthändler. Manche Verbrechen sind spektakulärer als andere. Manche lesen sich wie der Plot zu einem Guy Ritchie-Film, andere werfen ernsthafte Fragen über unseren Umgang mit Kunst auf. Wir haben die spektakulärsten Kunstverbrechen von 2015  versammelt.

Verschollene Werke

Besser spät als nie, dachte sich offenbar ein italienischer Mann. Spät kam in diesem Fall aber nicht die Reue, sondern die Einsicht, dass er aus seinem Diebesgut noch einmal Kapital schlagen kann. Das Diebesgut ist ein Damenporträt von Gustav Klimt, das 1997 bei Renovierungsarbeiten aus einer Galerie in der italieneichen Stadt Piacenza gestohlen wurde. Weil das Bild aber so bekannt ist, wurde es nicht weiterverkauft. Deshalb fordert der Kunstdieb, der sich nach eigenen Angaben zur Ruhe gesetzt hat, im November 2015 ein Lösegeld in Höhe von 150.000 Euro. Zwar schließt die Polizei eine Lösegeldzahlung aus. Aber die Kulturbehörden von Piacenza haben schon begonnen, Spenden zu sammeln.

Gar nicht erst ins Museum schaffte es ein 1800 Jahre alter Sarkophag, der in der israelischen Stadt Ashkelon auf einer Baustelle entdeckt wurde. Anstatt den Fund zu melden, beschlossen die Bauarbeiter, den zwei Tonnen schweren Steinsarg mit einem Bagger selbst zu bergen und anschließend zu verstecken. Warum sie das getan haben, wollten sie nicht verraten. Das Stück stammt aus der römischen Besatzungszeit, erklärt der Altertumsforscher Gabi Mazor, und die Dekoration deutet darauf hin, dass es der Sarg eines jungen Mannes war.  Mittlerweile haben die israelischen Behörden das Fundstück an sich genommen.

Eine Ausgrabungsstätte in Ashkelon. Foto: Yaels

Eine Ausgrabungsstätte in Ashkelon. Foto: Yaels

Lange dauerte es auch, bis jemandem aufgefallen ist, dass auf einem Schulhof in Bayern ein Bronzepferd von Adolf Hitlers Lieblingskünstler Josef Thorak steht. Warum das Objekt dort steht, haben Reporter der Süddeutschen Zeitung herausgefunden. 1961 hat die Familie Thorak der Schule das Pferd geschenkt, um damit die Internatsgebühren ihres Sohnes zu bezahlen. Schon im Mai 2015 wurden einige NS-Kunstwerke von der Polizei beschlagnahmt, darunter auch zwei Bronzepferde von Thorak. Die Skulptur vom Schulhof wurde erstmals 1939 in der “Großen Deutschen Kunstausstellung”, eine Art Leistungsschau faschistischer Kunst, gezeigt. Die Arbeit ist also nicht ganz unbekannt. Warum sie jahrzehntelang unbemerkt und unkommentiert auf einem Schulhof stehen konnte, ist nicht klar. Aber der Fall stößt eine wichtige Debatte an: Was soll mit repräsentativer NS-Kunst passieren?

Auch vor 1933 schon kitschig: Josef Thorax "Mutter Erde" von 1928.

Auch vor 1933 schon schlimm: Josef Thoraks „Mutter Erde“ von 1928.

Die Klassiker: Fälschungen, unbezahlte Schulden und Vandalismus

F wie Fälschung: Zwei Brüder in Spanien haben 2003 ein Gemälde von Goya gekauft. Dann wurden sie misstrauisch, weil es kein Echtheitszertifikat gab. Und tatsächlich: Ein Gutachter bestätigte ihnen, dass das Gemälde die Fälschung von einem Zeitgenossen Goyas ist. Um ihren Schaden gering zu halten, wollten die beiden das Bild weiterverkaufen, und zwar für vier Millionen Euro. Der Scheich, der das Gemälde kaufen sollte, hat die Anzahlung von 1,7 Millionen Schweizer Franken allerdings mit fotokopierten Scheinen geleistet. Falsches Bild, falsches Geld, möglicherweise ein falscher Scheich. Was bleibt: Die Frage, ob hier überhaupt ein echtes Verbrechen begangen wurde.

Der Rapper Lil Wayne hängt  sich seine Wertgegenstände nicht nur um den Hals, sondern auch in seine Villa in Miami Beach. Damit ist er nicht der einzige Rapper, der in Kunst investiert, denn Jay Z und Pharell Williams haben auch eine eigene Sammlung. Anfang November wurden einige Werke aus Lil Waynes Sammlung beschlagnahmt, weil der Rapper die Rechnung fürs Anmieten eines Privatjets nicht bezahlt hat. Warum er das nicht getan hat, ist unklar, schließlich wird sein Vermögen auf 150 Millionen Dollar geschätzt. Noch interessanter wäre es natürlich zu erfahren, was für Kunst Lil Wayne sammelt. Aber darüber hat selbst Artnet keine Informationen.


Es gibt nichts Schlimmeres als gut gemeint, sagt ein Sprichwort. Gut gemeint hat es der englische StreetArt- und Galeriekünstler Banksy, als er beim Aufbau eines Flüchtlingscamps in Calais helfen wollte. Dafür hat er Holz aus seinem Missvergnügungspark “Dismaland” nach Nordfrankreich schaffen lassen, um dort daraus Hütten bauen zu lassen. Außerdem wurde das Logo von „Dismaland“, bestehend aus großen Holzbuchstaben, in dem Camp aufgerichtet und leicht verändert, so dass es „Dismal Aid“ hieß. Banksy wollte damit auf die schlechte Versorgungslage in dem Lager aufmerksam machen, und es gab sogar das Gerücht, der geheimnisumwehte Künstler selbst sei anwesend gewesen. Der Schriftzug wurde aber bald gestohlen. Ein Helfer aus dem Flüchtlingslager sagte, Banksy wolle nur vom Elend anderer profitieren, denn er könne ebensogut. Geld spenden. Es gibt wohl doch etwas Schlimmeres als gut gemeint: böse gemeint.


Plagiate sind nichts Neues bei Prada-Handtaschen und Rolex-Uhren. Die Gagosian-Gallery in New York hat eine Ausstellung mit Möbelskulpturen von Franz West gezeigt. Und das Archiv Franz West hatte rechtliche Schritte eingeleitet, denn bei den Möbelskulpturen handele es sich um Plagiate. Und am Tag vor der Eröffnung wurde eine einstweilige Verfügung gegen Gagosian verhängt. Die Vorgeschichte beginnt aber schon 2011, ein Jahr bevor West gestorben ist. Denn da hat der österreichische Künstler seinen Nachlass zwei Stiftungen zugesichert. Zunächst hat West einen Vertrag mit dem Archiv unterschrieben. Wenige Tage vor seinem Tod wurde allerdings eine weitere Stiftung ins Leben gerufen. Von dieser Stiftung hat die Galerie nun die Franz West-Stühle bekommen. Das Archiv Franz West behauptet jetzt, dass die gezeigten Möbel Plagiate sind, da West kurz vor seinem Tod und nicht im Vollbesitz seiner geistigen Kräfte, seinen Nachlass der falschen Stiftung überschrieben hat. Weil bei der ganzen Verwirrung niemand mehr weiß, wer die echten Stühle hat, hat die Gagosian-Gallery jede Verantwortung von sich gewiesen. Begründung: Sie machen keine Möbel, sie verkaufen sie nur.

In Douglas Adams’ Roman “Per Anhalter durch die Galaxis” gibt es die Figur Marvin. Marvin ist ein paranoider Android. Der hitchBOT ist auch ein Android, allerdings in der echten Welt. Wie der Name schon sagt, sollte der putzige Android in Gummistiefeln per Anhalter um die ganze Welt fahren. Nur kam er nicht weit. Nachdem er in Boston gestartet ist, um die USA zu durchqueren, endete seine Reise in Philadelphia. Dort wurde er ohne Kopf und mit abgerissenen Armen gefunden. Vielleicht liegt Marvin, der paranoide Android, richtig: Die Menschen sind einfach schlecht.

 

Titelbild: Vimeo-Still aus „Dismaland. The Official Unofficial Film

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