Das Netz kennt kein Erbarmen. Selbst wenn ein Sachverhalt aus dem Kontext gerissen ist. Wie ein einzelner Tweet. Wie ein Text über Feminismus von der Autorin Ronja von Rönne, die sich wenig dabei dachte, als sie viel zu viele unbedachte Worte und wenige durchdachte Argumente dafür fand, warum der Feminismus sie so sehr anekelt. Egoistin sei sie, keine Feministin, legte sie los, media in res, Feminismus klinge ähnlich antiquiert wie das Wort Bandsalat, braucht niemand, schrieb sie, und bretterte mit Vollgas mitten in den Shitstorm. Das Netz wollte sich lange nicht beruhigen, und der Netzfeminismus zeigte ihr, dass die Abneigung auf Gegenseitigkeit beruht. Verstörend inhaltsleer kämpfe der Netzfeminismus um Klicks, sagte sie. Und war schneller zur bekanntesten Anti-Feministin geworden, als sie das Buch „Fleischmarkt“ der Feministin Laurie Penny hätte lesen können.
Von allen Seiten muss der Netzfeminismus Kritik einstecken, besonders die neue Generation feministischer Künstlerinnen, die in den sozialen Medien wie Tumblr und Instagram ihr Ausdrucksmedium gefunden hat. Aber ist das tatsächlich nur eine Egoshow von Narzisstinnen, die sich im Web 2.0 ihre eigene Bühne schaffen können?
Ohne die sozialen Medien und die restriktive Handhabe von Facebook und Instagram, wenn es vermeintlich um die Verletzung der Richtlinien des Netzwerks geht, würde die vierte Welle des Feminismus nicht immer mal wieder so hohe Wellen schlagen. Der Feminismus 4.0 will anekeln – nur anders als es Ronja von Rönne meint. Die Bilder von Künstlerinnen wie Petra Collins, Arvida Byström und Molly Soda werden regelmäßig zensiert, weil sie zu viel Schamhaar, Körperflüssigkeiten, Menstruatsionsblut und nackte Haut zeigen. Die Zensur und ein anderer Umgang mit dem weiblichen Körper in den Medien ist ihr Thema, dagegen kämpfen sie an, dafür stehen sie. Denn sie wissen nur zu gut, dass das Netz kein Erbarmen kennt.
Mit ihren Bildern provozieren sie bewusst all diejenigen, die schon Haare an den Beinen einer Frau als anstößig empfinden. Und sich wild durch das Menü von Instagram klicken, um ein Bild zu melden, als unangemessen, als Nacktdarstellung oder Pornografie. Diese Zensur verschafft den Net-Artists überhaupt erst Aufmerksamkeit und katapultiert sie aktuell in Galerien, Magazine und Bücher. „Ich möchte Teil einer Mädchenbewegung sein“, die es aus den pinken Schlafzimmern und unaufgeräumten Badezimmern in amerikanische Galerien und in die Tate Modern schafft, wispern sie wie ein Mantra ein wenig zu eindringlich auf Instagram und Tumblr. Inzwischen sind sie viele. Sie rufen sich gegenseitig zu, wie süß das alles sei, wenn sie füreinander mit ihren Smartphones in der Hand in Badezimmern posieren.
Ihre Kritiker empfinden das als langweilig. Es gehe ihnen nicht um das große Ganze, nicht um tradierte Diskurse, nicht um Gleichstellung, nicht um Kritik am Leistungssystem, sie seien zu selbstbezogen, nicht gesellschaftlich relevant. Nur wird dabei vergessen, dass sich Mädchen und junge Frauen zu Wort melden, die mit dem vertraut sind, was ihnen in ihre Timelines und Feeds gespült wird und was sie in Blogs und Magazinen online lesen. Und die noch nicht mehr Erfahrungen innerhalb der Gesellschaft gesammelt haben, als mit Ablehnung oder Zustimmung auf ihren heranwachsenden Körper konfrontiert zu werden – im Netz und außerhalb der elterlichen Wohnung. Selbst wenn sie Follower und Likes sammeln, kämpfen sie damit auch gleichzeitig für eine Generation Mädchen und Frauen, die morgens im Badezimmer nicht mehr zuerst nach dem Rasierer greifen möchte, um nachwachsende Körperhaare zu entfernen. Das mag wenig sein, aber für pubertierende Mädchen, die sich massivem Body Shaming wegen Pickeln, ein paar Gramm und ein paar Kurven zu viel ausgesetzt sehen, ist das die Welt.
😢 Ein von Petra Collins (@petrafcollins) gepostetes Foto am
Für ihr Blog beim Monopol Magazin hat Anika aufgeschrieben, welche Künstlerinnen außer Petra Collins, Amalia Ulman und Arvida Byström es noch gibt? Was sind ihre Themen? Was findet Instagram nicht okay? Hier entlang geht es zum Text. Und hier Anika etwas ausführlicher über die vierte Welle des Feminismus in den sozialen Medien.