Wahrscheinlich ist der Hype schon vorbei. Zumindest sind die Zeiten längst vorbei, in denen man sich bei Galerieeröffnungen wissend zuraunen konnte: „Das ist Post Internet. Die Welt ist noch nicht bereit dafür.“ Die Welt ist längst bereit, und zumindest die Kunstwelt kann das Wort nicht mehr hören. Aber die Phänomene, die vor vier/fünf Jahren aufgetaucht sind, bleiben sicher noch eine Weile. Deshalb erklären wir im zweiten Teil unseres ABCs, wer eigentlich wie am Fließband Theorien für die zeitgenössische Welt produziert, wer den besten Tumblr zu Google StreetView hat und wer die ganzen Instagram-Follower weggekauft hat.
G
Google. Jorge Luis Borges hat sich in seiner Mikro-Erzählung „Von der Strenge der Wissenschaft“ ein Königreich ausgedacht, in dem es eine Karte gibt, die genauso groß ist wie das Königreich. Dem Traum von der lückenlosen Abbildung kommt Google schon ziemlich nahe. Angefangen bei der Kartographierung des Internet, über die Digitalisierung von Büchern, bis hin zur Angleichung von Karte und Gebiet mit Google StreetView. Dass die Karte aber doch ganz lückenlos ist, führt Jon Rafman auf seinem Tumblr 9-eyes vor. Da zeigt er nicht nur die Glitches und Fehler. Er zeigt auch, dass bei der eins zu eins-Abbildung der Welt auch alles Morbide und Unheimliche mit abfotografiert wird: Raubüberfälle, Leichen, Außerirdische.
H
Hashtag.. „Extrem klug“ findet Jan Drees im „Freitag“ Armen Avanessians Sammelband „#Akzeleration.“ Das Buch ist ganz am Ende des Jahres 2013 erschienen und versammelt Aufsätze von Autoren wie dem Technophilosophen Nick Land, oder dem Italiener Franco Berardi. Klar, die linke Avantgarde hat mit Baudrillard, Deleuze und Virilio ja schon lange eine Heimat bei Merve. Ein bisschen Marx, ein bisschen Deleuze und Guattari, noch schnell den spekulativen Realismus erwähnt, fertig ist die neue, radikale und linke Philosophie. Damit beginnt auch Avanessians unermüdliche Herausgebertätigkeit für Merve. Alle drei/ vier Monate erscheint ein neuer Band zum Akzelerationismus als neuer Strategie der Linken, zum spekulativen Horror, oder zum neuen philosophischen Realismus. Nicht alle mit Hashtag versehen, aber alle sehr en vogue.
I
Instagram. Aufmerksamkeit ist messbar: an der Anzahl von Followern und Likes. Und auch wenn im Internet alles simultan verfügbar ist, die Aufmerksamkeit der Nutzenden ist begrenzt. Es irrt also, wer glaubt, dass es bei dieser Sichtbarkeitsökonomie basisdemokratisch zugeht. Constant Dullaart findet das unfair, deshalb hat er in die Sichtbarkeit seiner liebsten Instagram-Accounts investiert. Denn Aufmerksamkeit kann man sich natürlich auch kaufen. Zum Beispiel bei Ebay gibt es realistisch aussehende Profile zu kaufen, von Robotern betrieben. Mit dem Geld vom Jeu de Paume hat Dullaart seinen liebsten Instagram Accounts je 100 000 Follower spendiert. Herausgekommen ist dabei die Arbeit „High Retention, Slow Delivery.“
J
Junk. Junkmail, Junktime und jede Menge Werbung. Das Internet ist nichts für Kulturpessimisten. Mark Fisher hat einmal beklagt, dass uns die sozialen Medien mit einem konstanten, aber eigentlich ziemlich langweiligen Strom an Informationen versorgen. Und meistens ist diese Information auch noch Werbung (Junkmail). Nach einer ähnlichen Logik arbeiten wir auch (siehe A wie Arbeit). Hito Steyerl nennt die Arbeitszeiten des Kunstbetriebs Junktime. Ein Bild malen, einen Roman oder eine Doktorarbeit schreiben: Das klingt alles wie überholte Formen der Beschäftigung. Wie etwas, das man im 20. Jahrhundert noch machen konnte. Tätigkeiten haben heute keinen Anfang und kein Ende. Ein Blogbeitrag hier, eine Kunstkritik dort und dann vielleicht noch ein Artist’s Talk.
Hier geht es zu Teil 1.
Titelbild: Analisa Bien Teachworth für DisImages