Medienwahn, Missbrauch, Verschleierung, das alles sind Themen, die aufwühlen, aufregen und wütend machen. Diese Wut ist gelegentlich deutlich zu spüren. Sie kann sich destruktiv entladen, wie kürzlich in London, oder konstruktiv umgesetzt werden. Letzteres wagt dieses Jahr zum zweiten Mal ein Projekt, das plakativ „Mut zur Wut“ fordert.
Vergangenes Jahr rief der Grafiker Götz Gramlich in Heidelberg den Plakatwettbewerb „Mut zur Wut“ ins Leben. Junge Grafiker wurden aufgefordert, ein Plakat zu einem von ihnen selbstgewählten Thema zu gestalten. Die dreißig besten Plakate wurden aus über 300 Einsendungen von einer Jury ausgewählt, von deren Mitgliedern eines auf eine lange Tradition politisch motivierter Plakataktionen zurück blicken kann: Klaus Staeck. Der Politkünstler und heutige Präsident der Akademie der Künste in Berlin entwirft seit den 1960er Jahren sozialkritische und aufwühlende Plakatmotive. Auch war er bereits in Heidelberg für politische Aktionen mitverantwortlich, so organisierte er zusammen mit Jochen Goetze das Fluxus-Festival „intermedia 69“, in dessen Rahmen auch die Verhüllung das heutigen Deutsch Amerikanischen Instituts durch Christo stattfand.
„Solange wir noch atmende Wesen sind und durch unser Gemeinwesen gehen, solange werden wir hoffentlich noch mit Überraschungen konfrontiert“, so Staeck.
In Heidelberg begegnen einem derzeit einige solcher Überraschungen, beispielsweise Passanten, die sich gegenseitig mit schiefen Köpfen fotografieren. Sieht man genauer hin, entdeckt man vor ihnen ein Plakat mit der Aufschrift: „Ein Hund neigt seinen Kopf, wenn er neugierig ist.“ Der Trick dabei ist, dass die Aufschrift senkrecht angebracht ist, so dass der Betrachter den Kopf neigen muss, um die Wörter zu entziffern. Die Passanten kommen somit sprichwörtlich „auf den Hund“.
Andere Überraschungen, die zurzeit in Heidelberg platziert sind, widmen sich politischen Themen. So findet sich umringt von gewöhnlichen Werbeplakaten eines, das die westliche Konsumgesellschaft anprangert – und somit seine verführerischen Nachbarn. Es zeigt den Ausschnitt eines barocken Stilllebens, über das mit weißen Großbuchstaben „Go West Go Waste“ geschrieben steht. Der übermäßige Luxuskonsum wird durch das Plakat zu einem Problem unserer westlichen Welt erklärt und der Rekurs auf das barocke Stillleben verortet es gleichzeitig in der langen Tradition des Konsums der westlichen Welt.
Insgesamt sind es vor allem politische Themen, die von den Plakaten, die in ganz Heidelberg zu sehen sind, aufgegriffen werden. Aktuelle Probleme werden benannt und aufgezeigt. Durch die Präsenz der Plakate mitten im Alltagsleben soll bei den Passanten ein Bewusstsein dafür geweckt werden, dass uns diese Probleme auch hier in unserer Stadt begegnen können.
„plakate sind interaktiv.
und provokativ.
dieses mal nicht dekorativ.
aber dafür plakativ.
sogar in times new roman.
wau.“Kai Bergmann