Kürzlich durfte ich am Workshop „Sprache der Wissenschaft“ für Nachwuchswissenschaftler teilnehmen. Im Vorfeld wurden wir Teilnehmer gebeten, drei Texte einzureichen: Unter diesen sollte unter anderem ein Text sein, den wir für vorbildlich erachten. Es überrascht sicher nicht, wenn ich an dieser Stelle verrate, dass es sich bei einem der genannten Texte mit Vorbildcharakter um die Dissertation Darwins Bilder. Ansichten der Evolutionstheorie 1837-1874 (S. Fischer, 2007) von Julia Voss handelte. In dieser untersucht sie die Rolle, die die Abbildungen Darwins bei der Entstehung der Evolutionstheorie spielten - ein bildwissenschaftlicher Ansatz also.
Überrascht hat mich deshalb ein wenig, als ich die Dankesrede zum Sigmund-Freud-Preis für wissenschaftliche Prosa von Julia Voss heute las, dass die Kunsthistorikerin den Preis nicht als Kunsthistorikerin, sondern ausdrücklich für die Wissenschaftsgeschichte entgegengenommen hat. Sie selbst reiht sich in ihrer Rede unter die Autoren, die über Biologie und Lebenswissenschaft geschrieben haben. Nun möchte ich nicht den beleidigten Kunsthistoriker bzw. die beleidigte Kunsthistorikerin spielen, sondern freue mich, dass mit Julia Voss eine „junge Preisträgerin ausgesucht“ wurde, die auch für Nachwuchswissenschaftler Vorbildcharakter besitzt.
Das Geheimnis des bis heute andauernden Erfolgs von Darwins Werken, so Voss, sei die Tatsache, dass Darwin als Autor seine „Leser ernst nimmt, Verständlichkeit für eine Tugend des wissenschaftlichen Schreibens hält und den interessierten Laien schätzt, mehr noch, ihn sogar als Prüfstein seiner Theorie versteht.“ Verständlichkeit und Respekt vor dem Leser, das ist auch die Quintessenz dessen, was uns Teilnehmern des Workshops von den Leitern Valentin Groebner und Martin Bauer mit auf den Weg gegeben wurde.
Lektüretipp
Vergnüglich zu lesen und hilfreich ist der Beitrag Welches Thema? Was für ein Text? Vorschläge zum wissenschaftlichen Schreiben von Valentin Groebner, der einen „kleinen Werkzeugkasten“ mit Anregungen zum Schreiben von wissenschaftlichen Texten bereithält. Den kompletten Text findet ihr hier.
Wolf Schneider lässt grüßen:
„Beim Text muss sich einer quälen, der Absender oder der Empfänger. Besser ist, der Absender quält sich.“