allerArt, Interview
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Spielerische Ernsthaftigkeit

 

Im November findet der 79. Kunsthistorische Studierenden Kongress (KSK) in Bochum statt. Wodurch unterscheidet er sich von seinen Vorgängern?

Unser Anliegen ist es, uns gar nicht so sehr von vorangegangen KSK zu unterscheiden – wir haben uns dort immer sehr wohl gefühlt. Wenn unsere Gäste sich ähnlich willkommen fühlen, wie wir in den letzten Semestern, haben wir ein wichtiges Ziel erreicht. Mit Blick auf den letzten Kongress in Jena haben wir versucht, auch auf Wunsch vieler Studierender, das Thema ein wenig weiter zu fassen, um nicht ausschließlich dem Denken über moderne und zeitgenössische Kunst einen Rahmen zu bieten.

Das Thema lautet „Ich sehe was, was du nicht siehst“. Wie lässt sich dieses Kinderspiel kunsthistorisch und interdisziplinär konkretisieren?

Die Bochumer Campuszeitung Rubens hat den Kongress mit der Überschrift „Kein Kinderspiel“ angekündigt. Aber es ist ein interessanter Gedanke, das Denken über Kunst und das Denken über das Denken als ein Spiel zu verstehen. Es gilt, die Idee eines anderen nachzuvollziehen, sie aufzuspüren. Wenn diesem Versuch das Spielerische verloren geht, geht ihm oftmals auch die Ernsthaftigkeit verloren.

„Ich sehe was, was du nicht siehst“ lautet aus dieser Perspektive auch das Motto der Plakatieraktion.

Die Neugierde, die dieses Spiel mit sich bringt, ist ein weiterer wesentlicher Ansatz unseres Themas, unseres Denkens an sich. Unsere grundlegende Idee war es, die Gesetzmäßigkeiten des Kunst- und Wissenschaftssystems auszuweiten und mit Hilfe der Neugierde der Kommilitonen neue, noch unbekannte Bereiche dieses Diskurses zu entdecken. Der oftmals zitierte Grundsatz Walter Grasskamps, nach dem nur ein geringer Teil dessen, was wir Kunst nennen könnten, auch autorisiert ist, an diesem Spiel namens Kunst teilzuhaben, war und ist ein wesentlicher Gedanke des diesjährigen KSK. Und betrachtet man das Spektrum der Vortragsthemen, so lässt sich eine solche Neugierde in allen Beiträgen erkennen. Dass die titelgebenden Begriffe des Unsichtbaren und des Verschwindens einen wesentlichen, prominenten, jedoch in seiner Tragweite vielleicht noch gar nicht erkannten Teil im philosophischen Denken der letzten 60 Jahre spielt, und somit auch und gerade für ästhetische Fragen relevant ist, war nur ein sekundärer, aber subtil immer vorhandener Gedanke.

Und auch wenn die Organisation alles andere als ein Kinderspiel ist, freuen wir uns schon jetzt, die wissenschaftliche Diskussion mit der Kreativität und Neugierde dieses Spiels zu führen. Wir sind gespannt, was die Teilnehmer des Kongresses sehen, was sie nach dem Kongress mehr sehen und welche Unsichtbarkeiten letztlich nur in ihrer Immaterialität eine Relevanz behalten.

Das Besondere und eigentlich auch Absurde an diesem Kinderspiel ist es doch, dass dem im wörtlichen Sinne vorausgesetzten sinnlichen Erlebnis (des Sehens) jegliche Evidenz fehlt. Wohin uns dies führt, ist auch für uns ein Experiment.

Ein Blog, Projekte „verschiedenster Art“ und „alternative Formen der Auseinandersetzung“ − all das spielt eine Rolle beim 79. KSK und seiner Internetpräsenz. Sieht man da denn vor lauter Bäumen den Wald nicht mehr?

Wir wollten zunächst den Anreiz geben, dass sich die Besucher auf den unterschiedlichsten Ebenen mit dem Thema auseinandersetzen können. Insbesondere das Medium Internet bietet da natürlich eine Fülle an Möglichkeiten, der eigenen Produktivität und Recherche nachzugehen. Die klassische Form des wissenschaftlichen Vortrags ein wenig aufzuweichen und diesem weitere Vermittlungsformen an die Seite zu stellen, war uns ein weiteres Anliegen.

An manchen Stellen waren unsere Vorstellungen wahrscheinlich von einer Utopie getragen, und an manchen haben wir uns vielleicht auch überschätzt. Wenn am Ende ein Gespräch über genau diesen dicht bewachsenen Wald an Kommunikations- und Diskussionsmöglichkeiten entstehen wird, waren die Bemühungen nicht umsonst.

KSK alle

Ich sehe was, was du nun auch siehst und das ist das Plakat des KSK.

In den Projektgruppen sollen Wege gefunden werden, Sichtbarkeiten zu erzeugen und aktiv gegen kulturelle Blindheit zu agieren. Warum dieser politisch-programmatische Ansatz?

Als Kunsthistoriker, als politisch denkende Menschen und als Humanisten ist kulturelle Bildung eine unserer Hauptaufgaben. Jedoch stellt sich diese immer unterschiedlich. Den Unterschieden gerecht zu werden ist eine schwierige Aufgabe, der sich die Workshops und Projekte widmen werden. Besonders mit Blick auf das Kulturhauptstadtjahr ist beispielsweise die Kunstvermittlung eine dieser Aufgaben: Welche Methoden werden angewandt, mit welchen Fragen kann ich wen zum Denken anregen, und wie kann ich den unterschiedlichsten Zielgruppen entsprechen?

Anika Reinike wird versuchen, diese Fragen in einem kleinen Arbeitskreis zu diskutieren und Ansätze zu erarbeiten, die Kunst und Kultur als wesentliche Pfeiler gesellschaftlicher Identität vermitteln. Eine Initiative Bochumer Studierender befasst sich seit 2007 mit dem Problem, dass ein bedeutendes Ensemble von „Kunst am Bau“-Werken auf dem Bochumer Campus den meisten Studierenden unbekannt ist. Dass auch dort nicht mehr die klassische Führung im Mittelpunkt der Vermittlung steht, sondern die mittelbare Auseinandersetzung im Weblog, ist ein Versuch, der stark vom Grundgedanken des KSK getragen ist. Das Gespräch mit den Kommilitonen – in diesem Fall über Kunst am Bau − und auch die im Programm enthaltene Stadtführung wird versuchen, ein Bewusstsein für die Orte zu schaffen, die jenseits der täglichen Wahrnehmung zu finden sind.

Auch in Eurem Exposé sprecht Ihr oftmals von einer politischen Dimension. Was hat es damit auf sich und wie wird diese während des KSK in Erscheinung treten?

Kunst ist in unseren Augen ohne ihre gesellschaftliche Relevanz nicht zu denken und ist somit von Grund auf politisch. Betrachtet man die Auswahl an Vortragsthemen, so zeigt sich auch dort eine Vielfalt an politischen Themen und Fragestellungen So werden besonders die beiden letzten Vorträge einerseits die politische Dimension und andererseits die gegenwartskritische Aktualität des KSK widerspiegeln. Letztlich wird es uns ein Anliegen sein, die ursprüngliche Motivation des KSK – die Vertretung studentischer Interessen – weiterzuführen. Hierfür möchten wir ein Richtungspapier entwerfen, das die politische Dimension des Kongresses wieder stärkt.

KSK Team

Auf welche Vorträge dürfen die Teilnehmer des KSK besonders gespannt sein?

Schaut man sich das Programm des 79. KSK und die dazugehörigen Abstracts an, so fällt es in der Tat schwer, einzelne Vorträge besonders zu empfehlen. Sehr froh sind wir, zwei interdisziplinär orientierte Redner hören zu dürfen: Katharina Neuburger, die den Kongress mit einer Untersuchung der Ästhetik des Blicks und dessen Rückbindung an das Subjekt eröffnen wird, und Valerie Kummer, die sich den bildgebenden Verfahren der Hirnforschung widmen wird. Diese Überlegungen mit Johanna Scherers Vortrag über den Schatten als Unsichtbarkeitsmetaphorik im Portrait und Selbstbildnis zu vergleichen und in ein Denken über das Selbst im Bild zu überführen, sehen wir als eine spannende Herausforderung an. Aber auch die Vorträge von Marcelina Kwiatkowski und Thomas Kaffenberger versprechen viele interessante Einblicke in die ganz konkrete Arbeit mit Objekten, denen jegliche Materialität verloren gegangen ist.

Dem stehen jedoch auch alle weiteren Vorträge und Workshops in nichts nach, so dass wir uns auf einen hoffentlich erkenntnisreichen und diskussionsfreudigen KSK freuen.

 

Was möchtet Ihr den Organisatoren des 80. KSK mit auf den Weg geben?

Hoffentlich spannende Anregungen und Ideen, wie man die Idee des KSK fortführen und weiterentwickeln kann. Ganz konkret werden wir uns natürlich noch ein gebührendes Präsent ausdenken, dass nach mittlerweile langer und intensiver Arbeit an diesem Projekt repräsentativ für diese Aufgabe steht. Jenseits allen intellektuellen Gewinns ist es das Lohnendste an diesem Projekt, Menschen kennen zu lernen, deren Passion man teilt. In diesem Sinne viel Freude auf dem KSK in Bochum.

Der 79. Kunsthistorische Studierenden Kongress findet vom 25.-28. November 2010 in Bochum statt. Weitere Informationen gibt es auf der Homepage.

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