„Bilde, Künstler! Rede nicht!“, das wusste schon Goethe zu sagen. Martin Kippenberger aber hat lieber geredet, das äußerte er zumindest provokativ in einem Interview: „Malen dauert zu lange. Deswegen hab ich’s auch sein lassen. Lieber reden. Reden kommt gut. Was das mit der Kunst zu tun hat? Wüsst’ ich nicht.“ Zielorientiert und humorvoll gestalteten die Organisatorinnen den Auftakt zum 76. Kunsthistorischen Studierendenkongress (KSK) mit einem Dokumentarfilm über den vielseitigen und polarisierenden Künstler Martin Kippenberger. „Selbstinszenierung – Selbstdarstellung in der Kunst, Kunsthandel und Kunstvermittlung“ lautete das Thema der dreitägigen Kölner Tagung diesen Juni.
Jedes Semester findet der 1969 gegründete und vom Ulmer Verein unterstützte KSK statt, um den Austausch und die Vernetzung der Kunstgeschichtsstudierenden zu fördern und Studenten früh eine Plattform zu bieten, Vorträge zu halten und aktiv in den wissenschaftlichen Diskurs einzugreifen.
Organisiert und durchgeführt wird er jedes Mal von einem anderen Kunstgeschichtsinstitut, dessen Repräsentanten sich bei einem vorangehenden KSK mit einem freigewählten Themenvorschlag bewerben können.
„Jeder wird in Zukunft mal für 15 Minuten ein Star sein“
So taten es auch Stephanie Zaar und Kathrin Fuchs, die Organisatorinnen des diesjährigen KSK. Obwohl sie beide in Köln studieren, lernten sie sich auf dem Münsteraner KSK 2005 kennen und entwarfen kurzerhand ein Konzept, mit dem sie sich bewarben.
Das Thema sei hochaktuell, da die Selbstdarstellung in jedem gesellschaftlichen Bereich einen sehr hohen Stellenwert bekommen habe – ob in der Schule, während der Ausbildung oder im Arbeitsleben und reiche hinein bis in die Politik, die Wirtschaft und die Unterhaltung, erklärte Stephanie Zaar. „In der Kunst ist das Thema spätestens seit Andy Warhols Slogan ‚Jeder wird in Zukunft mal für 15 Minuten ein Star sein‘ aktuell, außerdem gab es Figuren wie Dalí oder Kippenberger, die neben ihrem Werk auch durch ihr Auftreten auf sich aufmerksam machten.“ Während der Tagung sollte ergründet werden, ob es Parallelen zwischen diesen exzentrischen Künstlern gibt und welche Wichtigkeit die Selbstvermarktung heutzutage in der Kunstwelt besitzt. „Darauf haben die Vorträge des KSK eine Antwort gegeben: Neben der Selbstinszenierung ist die Qualität des Werkes ganz wesentlich, sonst verschwindet der Künstler in einer milde belächelten Versenkung“, sagte Kathrin Fuchs im Rückblick.
Die Teilnehmer reisten aus ganz Deutschland an, Vereinzelte kamen sogar aus dem europäischen Ausland und das zum wiederholten Male. Doch auch jene, die zum ersten Mal am KSK teilnahmen, wurden mit vorbereiteten Namensschildchen empfangen und in der Runde vorgestellt, sodass spätestens nach dem ausgelassenen kollektiven Gelächter über Szenen aus dem Kippenberger-Film alle anfängliche Zurückhaltung und Unsicherheit verschwunden war.
Gastgeber des KSK war das Kunsthistorische Institut der Universität zu Köln; aufgrund der mehr als 35 Teilnehmer wurde jedoch auf das unweit gelegene Hauptgebäude der Universität ausgewichen, wo den Teilnehmern neben dem Vortragsraum auch ein Aufenthaltsraum für die Pausen bereitgestellt wurde. Hier wurden die Diskussionen nach den Vorträgen weitergeführt, Informationen über die verschiedenen Institute und Studiengänge ausgetauscht, oder einfach nur angeregte Gespräche über Kunst geführt.
Die Auswahl der Referenten habe sich sehr praktisch gestaltet, berichtete Stephanie Zaar, so erhielten sie zahlreiche Bewerbungen auf den „Call for Papers“ und wählten schließlich sechs aus. Die meisten von ihnen befanden sich entweder am Ende ihres Studiums oder am Anfang ihrer beruflichen Karriere. Die Themen hingegen variierten in hohem Maße und ließen sich manchmal aufgrund ihrer Spezifität erst auf den zweiten Blick in Verbindung bringen, dann jedoch umso nachhaltiger und zeitlich umfassender. Stephanie Zaar erzählte weiter, dass sie gemeinsam mit Kathrin Fuchs ein Konzept entwickelte, „das bei der Selbstdarstellung der frühen Massenmedien beginnt, einen Bogen über verschiedene Künstler in unterschiedlichen Epochen, gesellschaftlichen und kulturellen Kontexten schlägt und dann in der Selbstdarstellung auf pragmatischer, zeitgenössischer Ebene endet“.
Marketing im 19. Jahrhundert
Den Anfang machte Julia Häcki von der Universität Zürich mit ihrem Vortrag „Selbstinszenierung der Medien in den Medien - Visuelle Identitätskonstruktion der englischen und französischen Presse im 19. Jahrhundert“, bei dem sie unter anderem eindrucksvoll verdeutlichte, wie Illustratoren der britischen Zeitschrift „Judy“ im 19. Jahrhundert visuelle Selbstreferentialität benutzten, um ein prägnantes Image in Zeiten hoher Fluktuation der illustrierten Presse aufzubauen. Als Beispiel dafür zeigte Julia Häcki eine Illustration von 1887, in der die personifizierte Judy (abgeleitet vom englischen Theaterpuppenpaar Judy und Punch) und Queen Victoria im strengen Profil auf einer Münze abgebildet sind und sich gegenseitig gratulieren - Queen Victoria feierte ihr fünfzigjähriges Dienstjubiläum und die Zeitschrift Judy ihr zwanzigjähriges Bestehen.
Besonders spannend war Dr. Nadine Müllers Vortrag über den Düsseldorfer Malerschüler Adolph Schroedter, in dem sie veranschaulichte, wie der Künstler im 19. Jahrhundert heutzutage noch immer existierende und unter dem Begriff des „Marketing“ zusammenfassbare Techniken anwendete, um seine Kunst erfolgreich zu vermarkten. So hinterließe er in seinen Werken beispielsweise seit seinem 13. Lebensjahr ein Signet in Form eines stilisierten Korkenziehers mit seinen Initialen. Dieses Signet beruhe nicht nur auf seiner persönlichen Vorliebe zum Wein, sondern ließe sich von seinem Namen ableiten: Die Berufsbezeichnung des Schröters bezeichnete einen Fassträger im Weinhandel. Neben dieser Technik, die man heute als „Branding“ bezeichnen würde, habe Schroedter vor allem mit seiner hohen Ausstellungspräsenz in zahlreichen und möglichst großen Städten aufgetrumpft, als Illustrator gearbeitet und durch Jahresgaben in Kunstvereinen seine Omnipräsenz weiter ausgebaut. Außerdem beabsichtigte er einen gewissen Wiedererkennungsfaktor in seinen Gemälden. So habe er auffallend viele Gemälde geschaffen, die sich mit dem Thema Wein befassen, beispielsweise „Rheinisches Wirtshausleben“ oder „Weinprobe“. Auch habe er gewusst sich gezielt zu vernetzen, beispielsweise durch die Düsseldorfer Malerschule, dessen Künstler unter dieser großen „Dachmarke“ auch gemeinsam an ihrer Vermarktung und Distribution arbeiteten.
Auch das Rahmenprogramm in Köln erwies sich als vielseitig und gut organisiert. So wurde am Freitagabend zum Kunstgeschichte-Frühlingsfest mit Live-Konzert ins Universitäts-Café geladen. Zum Abschluss des viertägigen KSK ermöglichten die Organisatorinnen den Teilnehmern am Sonntag die Kunstwelt ihrer Studienstadt Köln auf eigene Faust zu erkunden. Sie hatten im Vorfeld mit Hilfe der Stadtverwaltung kostenlosen Eintritt in alle städtischen Museen organisiert, da sie die Metropole „für eine wichtige und spannende Stadt für Kunst und Kunstschaffende, trotz aller Berlin, Berlin-Rufe“ halten, sagte Kathrin Fuchs.
Doch nicht nur die Stadt Köln, sondern auch verschiedene Stellen der Kölner Universität und des Kunsthistorischen Instituts haben die beiden Studentinnen bei der Umsetzung ihrer Projektpläne unterstützt, allen voran aber die Fachschaft des Instituts, denn wenn es an die Werbung oder Sponsoren ging, konnten die Tage schon mal lang werden. „Gelernt haben wir beide, dass ein gutes Zeitmanagement immer eine fantastische Sache ist“, sagten Stephanie Zaar und Kathrin Fuchs.
Als 78. Austragungsort im Sommersemester 2010 wurde einstimmig Jena gewählt, doch zunächst einmal darf das Kunstgeschichtliche Seminar der Universität Hamburg vom 26. bis 29. November 2009 zum 77. KSK mit dem Thema „Art will save us!“ einladen. Trotz der erfolgreichen Bilanz und des positiven Anklangs empfehlen die beiden Kölner Organisatorinnen ihren Nachfolgern, doch mehrere Helfer ins Boot zu holen. „Außerdem sollte man die eigene Frust-Toleranz-Grenze hoch setzen, wenn man ehrenamtlich arbeitet und darüber hinaus noch Geld zu sammeln beabsichtigt, denn dann muss man leider mit Absagen rechnen.“ Vielleicht konnten sich die Organisatoren aus Hamburg und Jena auch die ein oder andere Marketing-Strategie bei den Künstlern auf diesem KSK abgucken.