Der jüngste Fälschungsskandal um Wolfgang Beltracchi und die Sammlung Werner Jägers hat einmal mehr gezeigt, wie schnell und in welchem Ausmaß Kunsthistoriker irren können, die sich selbstbewusst auf ihr scheinbar unfehlbares Auge verlassen. Just wurden zahlreiche Stimmen laut, die auf eine stärkere Einbindung naturwissenschaftlicher Methoden in die Beurteilung von Kunstwerken pochten. Auch in kunsthistorischen Instituten trifft man häufig auf angehende Kunsthistoriker, die den Wunsch äußern, ihr universitäres Wissen mit einer praxisorientierten Restaurierungsausbildung zu ergänzen. Den Wenigsten ist bewusst, dass sich hinter diesem Beruf eine langjährige kunsttechnologische Ausbildung verbirgt, bei der kunsthistorische Kenntnisse nur einen Teil des Gesamtbildes ausmachen.
Die Ausbildung
Zieht ein Student der Kunstgeschichte eine Ausbildung zum Restaurator in Erwägung, spielt der Faktor Zeit eine wichtige Rolle. Besonders für Anwärter ohne eine vorherige handwerkliche Lehre ist ein mindestens einjähriges Vorpraktikum in einer Restaurierungswerkstatt unumgänglich, um an einer der anerkannten Fachhochschulen zur Aufnahmeprüfung zugelassen zu werden. Diese Werkstatt kann einem Museum angegliedert sein oder von einem selbständigen Restaurator betrieben werden und sollte in jedem Fall auf den angestrebten Fachbereich – Gemälde, Wandmalerei, Stein, Holz, Papier, Metall, Glas oder Textil – spezialisiert sein. Bei der Wahl eines geeigneten Betriebes ist der Verband der Restauratoren (VDR) behilflich, auf dessen Internetseite die Werkstätten ihre Praktikumsangebote einstellen können. Die Vorpraktika werden in der Regel vergütet. Zusätzlich besteht die Möglichkeit, BAföG zu beantragen.
Das eigentliche Restaurierungsstudium sollte an einer einschlägigen Fachhochschule oder Kunstakademie absolviert werden, denn nur diese gewähren einen international anerkannten Abschluss. Auch die Restauratorenausbildung wurde in den letzten Jahren an das Bachelor/Master-System angeglichen, sie dauert also wie jedes andere Hochschulstudium bis zu zehn Semester. Mittlerweile können Interessenten aus einem breiten Studienangebot an Fachrichtungen wählen. Neben den einzelnen Materialgruppen stehen auch bereichsübergreifende Studiengänge wie „Archäologische Objekte“, „Technisches Kulturgut“ und „Film, Foto, Datenträger“ zur Auswahl. Die in Frage kommenden Institutionen führt wiederum der VDR auf.
Aufgrund der begrenzten Studienplätze sind die Auswahlverfahren entsprechend anspruchsvoll. Sie werden getrennt nach Fachbereichen durchgeführt. Der Bewerber reicht zunächst eine Mappe mit vorgegebenen schriftlichen und künstlerischen Arbeitsproben ein und wird anschließend zum Bewerbungsgespräch und zu einer mehrtägigen Eignungsprüfung geladen. Da die Durchfallquoten relativ hoch sind, sollte man sich in jedem Fall an allen Hochschulen bewerben, die den gewünschten Fachbereich anbieten.
Im Studium selbst beschäftigt man sich intensiv mit den für den jeweiligen Fachbereich relevanten Techniken und Materialien. Der kunsthistorische Unterricht besteht meist aus einer Kombination allgemeiner und spezifischer, ebenfalls auf den Fachbereich ausgerichteter Kunstgeschichte. Nicht zu verkennen sind die naturwissenschaftlichen und künstlerischen Seiten des Berufes. Der Chemie- und Analyseunterricht nimmt einen hohen Stellenwert in der Ausbildung ein, selbst wenn im Berufsalltag viele Untersuchungen aus Kostengründen nicht immer durchgeführt werden können. Zeichnerische und gestalterische Fähigkeiten sollte man sich bereits vor dem Studium aneignen – sie sind ein fester Bestandteil der Aufnahmeprüfungen und erfordern schon im Voraus viel Geschick und Übung. Der künstlerische Aspekt ist dabei nicht zu verwechseln mit den eigenen kreativen Ambitionen, denn der Restaurator ist niemals selbst schöpferisch tätig: In erster Linie bewahrt er ein bestimmtes Material vor dem Verfall.
Das Berufsbild
Ein Kunsthistoriker muss nicht unbedingt ein zusätzliches Fachhochschulstudium absolvieren, um mit Material und Restauratoren in Berührung zu kommen. Arbeitet er im Museum oder einer Galerie, wird er sich früher oder später mit den für die naturwissenschaftlichen Fragen zuständigen Fachleuten auseinandersetzen.
Restauratoren am Museum kommen neben der konservatorischen und restauratorischen Betreuung der Sammlungen und Depots vielfältige Aufgaben zu. Sie entscheiden maßgeblich über den Umgang mit den einzelnen Kunstwerken, begleiten sie bei Transporten in andere Museen und Werkstätten und haben ihren Zustand stets im Auge. Darüber hinaus erstellen sie ausführliche Dokumentationen und Befunde und beraten Kollegen aus anderen Fachbereichen im Hinblick auf angewandte Materialien und Techniken. Restauratoren allein ist es vorbehalten, naturwissenschaftliche Untersuchungen durchzuführen oder zu veranlassen, weshalb ihnen auch in der Feststellung der Echtheit eines Kunstwerkes eine bedeutende Rolle zukommt.
Der Beruf des Restaurators ist bis heute nicht geschützt. Im Grunde kann sich jeder Restaurator nennen, der sich dazu berufen fühlt. Dennoch haben sich im Laufe der Jahrzehnte in bestimmten, an der Denkmalpflege orientierten Chartas festgelegte Richtlinien durchgesetzt, die auch Eingang in einen verbindlichen „Ehrenkodex für Restauratoren“ gefunden haben. Dieser Ehrenkodex soll eine höchstmögliche Qualität der restauratorischen Arbeit gewährleisten. So tendiert man heute eher zur Konservierung, d.h. zum Erhalt eines überlieferten Zustandes, während die aktive Restaurierung – der tatsächliche Eingriff in die Substanz – immer weiter in den Hintergrund rückt und nach Möglichkeit sogar vermieden werden soll. Hinzu kommt das relativ neue Gebiet der präventiven Konservierung, das die optimalen klimatischen Rahmenbedingungen für die einzelnen Materialien erforscht, festlegt und Sammlungen entsprechend berät.
Letztendlich gehört für Kuratoren und Restauratoren am Museum die Zusammenarbeit innerhalb der Sammlung zum Arbeitsalltag.
Wie dieser Austausch vonstatten geht und wie sich Restauratoren den idealen Kunsthistoriker vorstellen, erläutert in Kürze Gabi Tschudi, Papierrestauratorin in der Sammlung Prinzhorn des Universitätsklinikums Heidelberg, im Interview mit artefakt.
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