allerArt, Interview
Kommentare 1

„Fahrt mal nach Brandenburg“

„Peripherie – Wer steht am Rand?“ lautet das Motto des 81. KSK in Siegen. Johann Wolfgang Goethe konstatiert in Wilhelm Meisters Wanderjahren, „ dass die Wesen, insofern sie körperlich sind, nach dem Zentrum, insofern sie geistig sind, nach der Peripherie streben.“ Warum strebt Ihr nach der Peripherie?

Wir streben doch gar nicht in die Peripherie. Im Gegenteil: Wir möchten den Begriff und seine Assoziationen gezielt hinterfragen. Ist die Peripherie einfach nur der schnöde Rand, oder ist sie der Sehnsuchtsort und damit thematischer Mittelpunkt der Kunst? Die Zeit der klassischen Moderne mit ihren topografischen Verwerfungen war schon süchtig nach dieser Ambivalenz, aber auch heute ist das Thema hochaktuell. Fahrt mal nach Brandenburg.

Das Museum für Gegenwartskunst, in dem einige Programmpunkte stattfinden, wurde aktuell vomInternationalen Kunstkritikerverband (AICA) als Museum des Jahres ausgezeichnet. Was ändert das für den Standort Siegen, der davor nicht gerade als Kulminationsort von Kunst und Kultur von sich reden machte?

Es stimmt zwar, dass Siegen auf der Museumslandkarte bisher selbst an der Peripherie zu finden war. Das sagt aber mehr über diese Landkarte aus als über das Museum für Gegenwartskunst in Siegen. Es ist unabhängig von der Verleihung des Preises ein sehr interessantes junges Museum. Der Preis wirkt hoffentlich als deutlicher Wegweiser, der ein breiteres Publikum nach Siegen lenkt.

Euer Motto trägt den Zusatz „Wald und Beton“. Bei Beton werden unweigerlich Assoziationen an den städtischen Raum und Themen des Urbanismus geweckt, also eigentlich nicht Peripherie?

Peripherie ist ja nicht unweigerlich das platte Land. Eine Grundidee unseres Konzeptes ist, dass es auf den Betrachterstandpunkt und auf Phänomene wie Zeitgeist ankommt, was Peripherie und was Zentrum sein kann. „Wald und Beton“ nimmt demnach eher diesen Gegensatz von Peripherie und Zentrum auf, an den sich natürlich auch der Kontrast von Natur und Kultur anknüpfen lässt. Wald und Beton als Slogan ist gleichzeitig ein Kurzportrait der Stadt Siegen.

Auf dem vorangegangenen KSK in Mainz stand unter anderem das Thema der Global Art im Mittelpunkt. Möchtet Ihr Euch bewusst davon abgrenzen oder schließt Ihr nun daran an?

Wir möchten vor allem mit den Inhalten des hochschulpolitischen Plenums und den Diskussionsrunden an den sehr gelungenen KSK in Mainz anknüpfen. Inhaltlich befinden wir uns mit dem Thema der Peripherie in Teilen immer noch in einem Global Art Diskurs, allerdings interessieren wir uns nicht nur für die kulturhistorische Streitfrage und ihre politischen Implikationen, sondern möchten uns auch dem ästhetiktheoretischen Gesichtspunkt widmen.

Angesicht der Konferenzbeiträge zur Internationalisierung des israelischen Kunstmarktes und zur Entwicklung der iranischen Fotografie: Finden die interessantesten peripheren Entwicklungen zur Zeit in Nahost statt?

Ja und Nein. Sicher ist der Nahe Osten eine vibrierende Region, aber man kann diesen Raum nicht losgelöst von Kulturentwicklungen anderer Regionen betrachten. Das wäre ja Exotismus übelster Sorte! Und das ist sicher ein interessanter Aspekt am Konzept Peripherie: In dem Moment, in dem diese Entwicklungen wahrgenommen werden und verstärkt auch Forschung über Kunst aus Nahost entsteht, muss man sofort wieder fragen, wie angebracht der Peripheriebegriff noch ist… Wenn alle Zentren auf die Peripherie schauen: Was ist dann Zentrum?

Ihr möchtet den Peripheriebegriff nicht nur räumlich verstanden wissen, sondern ebenfalls ein Augenmerk auf die Entstehungs- und Produktionsbedingungen von Kunst werfen. Ist der Blick des Kunsthistorikers zu stark auf das vollendete Kunstwerk fixiert?

Nicht unbedingt. Schließlich interessieren sich Historiker ja nicht fürs Sein, sondern fürs Werden, also Beziehungen und Ursachen von Zuständen. Der gegenwärtige Boom von Begriffen wie Artefakt, Materialität, Produktion und Prozess, der sich in den Titeln von Graduiertenkollegs, Sonderforschungsbereichen und Publikationen niederschlägt, zeigt aber sicherlich, dass die Kunstgeschichte lange Zeit auf das vollendete Kunstwerk fixiert war.

Am Samstag stehen Workshops zu Bildhauerei und Druckgrafik auf dem Programm. Sollen die angehenden Kunsthistoriker Praxisluft schnuppern?

Ja, im Department Kunst der Universität Siegen arbeitet die Kunstgeschichte eng mit der Kunstlehrerausbildung und den Medienwissenschaften zusammen. Daran möchten wir die KSK Gäste gerne teilhaben lassen.

Museumsführung, Yoga, Brunch und Apéro im Foyer - das Rahmenprogramm klingt sehr nach metropolitanem Flair. Verträgt Euer Publikum zu viel Peripherie nicht?

Natürlich könnte man ein Wochenende lang nur Siegerländer Krüstchen, Schampe und Kartoffelbrot auftischen… Aber auch in Siegen ist man mittlerweile international. Das Siegerländer Kartoffelbrot wird beim Apéro allerdings nicht fehlen.

Warum sollte man Eure Veranstaltung auf keinen Fall verpassen?

Wo soll ich da anfangen? Wer zum KSK nach Siegen kommt, den erwarten natürlich in erster Linie interessante Nachwuchswissenschaftler aus allen Ecken Deutschlands, Österreichs und der Schweiz. Dazu kommen die sehr interessante Malereisammlung der Rubenspreisträger, der Besuch bei den Serra-Produzenten im Metallverarbeitungswerk, Atelier- und Werkstattbesuche, Fotografieausstellung von Siegener Kunststudenten und fantastischer Elektro mit KnallKörperKontakt. Ach ja, und natürlich: Wald, Beton, Kartoffelbrot.

Der 81. KSK findet vom 24. bis 27.11. in Siegen statt. Weitere Informationen zur Anmeldung und zum Programm findet Ihr auf der Homepage zum KSK Siegen.

 

1 Kommentare

  1. Pingback: 81. KSK vom 24. bis 27.11. in Siegen « FSR Kunstgeschichte

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind markiert *