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„Eine Promotion ist die bessere Ausbildung“

Journalismus, Museum und wissenschaftliche Forschung und Lehre sind sicherlich die begehrtesten Berufsfelder für angehende Kunsthistoriker. Entsprechend rege ist das Interesse an diesem Abend vor allem von Seiten der jüngeren Studierenden. Nach dem Auftakt durch Prof. Dr. Untermann und Susanne Lorig vom Netzwerk Kunst und Kultur beginnt die Kulturredakteurin Annika Wind vom Mannheimer Morgen damit, von ihrem zurückliegenden Tag in der Redaktion zu erzählen. Sie ist 31 Jahre alt und gibt in den Sommersemestern als Lehrbeauftragte am Germanistischen Seminar in Heidelberg Kurse im journalistischen Schreiben. Zunächst will sie wissen, wie viele Zeitungsleser sich im Publikum befinden. Die etwas zaghaften Meldungen veranlassen die Journalistin dazu, erst einmal einen Stapel gedruckter Ausgaben des Mannheimer Morgens herumzureichen.

Annika Wind studierte Kunstgeschichte und Germanistik in Köln. Mit dem Schreiben hatte sie bereits als Jugendliche begonnen und ist, so sagt sie, nie richtig davon losgekommen. Die journalistische Laufbahn ergab sich dann jedoch vielmehr durch ihr eigenes Engagement, als durch die einschlägige Ausbildung an einer Journalistenschule. Während des Studiums schrieb sie nebenher, unter anderem für das von ihr mitgegründete Onlinemagazin „Wortgestöber“. Zusätzlich investierte sie in zahlreiche Praktika und Posten als freie Mitarbeiterin, beispielsweise bei der dpa, der Kölnischen Rundschau und diversen Fachzeitschriften. Ihr Volontariat absolvierte sie beim Westfälischen Anzeiger und der tz München.

„Auf keinen Fall in die Chefetage“

Wer heute Journalist werden will, so scheint durch, braucht vor allem Geduld und muss sich, wie Wind sagt, eindeutig dazu berufen fühlen. Neigt man etwa dazu, sich mehr als erforderlich in ein Thema vertiefen zu wollen, interdisziplinär zu recherchieren und sich an Formulierungen aufzuhalten, verfügt man immerhin über die Grundvoraussetzungen für diesen Beruf. Der Einstieg ist dennoch schwierig, feste Anstellungen in einer Redaktion sind kaum zu bekommen. Wind beschreibt die Branche als ein Haifischbecken. Leidensfähigkeit, Flexibilität und die Bereitschaft, trotz der anfangs geringen Anerkennung viel zu leisten, sind die unentbehrlichen Charaktereigenschaften des angehenden Journalisten. Zudem sollte man team- und kritikfähig sein und sich bewusst machen, dass man von der Außenwelt wahrgenommen wird, die nicht immer wohlwollend auf das Geschriebene reagiert.

Wind ist dennoch zufrieden. Ihr Job, sagt sie, biete ihr die besten Möglichkeiten, das kritische Schreiben mit der kunsthistorischen Recherche zu verbinden. Gleichzeitig weist sie darauf hin, dass es sich dabei um den Idealfall handelt, der nur sehr selten eintritt. Ihre Empfehlung ist es, bei der Lokalpresse anzufangen, da dort die Einstiegschancen besser sind. Bewährt man sich nämlich in einem Praktikum bei einer kleineren Tageszeitung und verschafft sich gleichzeitig einen guten Überblick über die örtliche Kulturszene, bekommt man vielleicht die Möglichkeit, weiterhin als freier Mitarbeiter für die Zeitung zu schreiben.

Des Weiteren sei es eine gute Übung, so Wind, eine Ausstellung auch einmal im Schnelldurchlauf zu erfassen und eine Rezension über sie zu schreiben. Denn das Arbeiten unter Zeitdruck entspricht der Realität: Trotz eines Teams von sechs Redakteuren und einer nicht geringeren Anzahl an freien Mitarbeitern schreibt Wind vieles selbst. Eigeninitiative spielt ohnehin eine große Rolle. Für die Berichterstattung über wichtige Ausstellungen und Pressekonferenzen fährt sie immer mal wieder über die regionalen Grenzen hinaus. Auf die Frage nach den Aufstiegschancen antwortet sie: „Auf keinen Fall in die Chefetage!“ Das bedeute schließlich vor allem Verwaltungsarbeit und erhöhe den Stress noch einmal um ein Vielfaches. Die Regel ist, dass man zunächst einmal in der Region bleibt, der Wechsel zu einer anderen, unter Umständen größeren Zeitung und der Aufstieg hängen dann wie so vieles von den eigenen Ambitionen ab.

„Fehler dürfen einfach nicht passieren“

Auch Dr. Roland Augustin hielt sich, wie er betont, zunächst bewusst an das Naheliegende: Nach seiner Zwischenprüfung in den Fächern Kunstgeschichte, Ethnologie und Politikwissenschaften an der Universität Trier sah er sich in der Museumslandschaft seiner Stadt um. Das Stadtmuseum Simeonstift, in dem er anfing, erhielt zu dieser Zeit gerade eine neue Sammlung, mit deren Erfassung Augustin betraut wurde. Nach der Magisterarbeit wurde ihm die Mitarbeit im Museum – das war in den späten 80er Jahren noch möglich – gleich als Volontariat mit anerkannt. Seine Promotion, die er durch Stipendien finanzierte, führte ihn eine Zeitlang in die Niederlande.

1994 trat Augustin seine Arbeitsstelle bei der Stiftung Saarländischer Kulturbesitz an. In Saarbrücken betreute er zunächst den Nachlass der Fotografin Monika von Boch, organisierte eine Ausstellung und plante den dazugehörigen Katalog. Diese Anfangsaufgabe beschäftigte ihn über mehrere Jahre und schärfte seinen Blick für Fotografie. Schließlich brachte sie ihm seinen ersten unbefristeten Arbeitsvertrag ein. Heute ist er Koordinator der Fotografischen und Grafischen Sammlung des Saarlandmuseums.

Der Beruf des Kurators geht weit über das Organisieren von Ausstellungen hinaus. So kann unter Umständen der ganze Standort der Sammlung mit hineinspielen, wenn es darum geht, ein Museum aufzuwerten oder etwa den Bestand mit einem nur beschränkten Budget zu erweitern. 2012 steht beispielsweise die Wiedereröffnung der Neuen Galerie des Saarlandmuseums an, für welche es ein komplett neues Konzept zu entwickeln gilt. All das, so Augustin, erfordere einen hohen Verwaltungsaufwand, „Fehler dürfen einfach nicht passieren“. Die im Kunstgeschichtsstudium erworbenen Fähigkeiten wie das wissenschaftliche Arbeiten treten im Museumsalltag ohnehin fast vollständig zurück, auch wenn sie nach wie vor eine wesentliche Voraussetzung für die Museumslaufbahn darstellen. Daher rät Augustin den Studierenden, sich frühzeitig beispielsweise mit dem Wortlaut von Gesetzestexten vertraut zu machen. Denn auch wenn der Fall selten eintritt, können fundierte Kenntnisse in einem Teilgebiet des Museumswesens wie etwa dem Museumsrecht unter Umständen eine Promotion ersparen.

Der klassische Weg ins Museum läuft heute über das meist zweijährige Volontariat. In der Regel kann man sich erst danach um die entsprechenden ausgeschriebenen Stellen in den Sammlungen bewerben. „Eine Promotion ist die bessere Ausbildung und wird bei den Bewerbungen immer vorgezogen werden“, gesteht Augustin. Ausgefallene Qualifikationen, welche über das übliche Kunstgeschichtsstudium hinausgehen, bringen Bewerber ohne Promotion nämlich nur selten mit. Allerdings bewerben sich heute immer weniger Promovierte auf Volontariatsstellen, so dass Magister- oder Masterabsolventen mittlerweile durchaus eine Chance haben, gleich nach dem Studium in einem Museum anzufangen. Während des Volontariats sollte man vor stellvertretenden Leitungsfunktionen nicht zurückschrecken, wenn sie sich ergeben. Sie bieten den besten Einblick in den späteren Arbeitsalltag und sind bei Bewerbungen um verantwortungsvolle Stellen besonders gefragt.

Interessierte können sich schon während des Studiums profilieren, indem sie – leider meist unbezahlte – Praktika an Museen absolvieren oder sich als Stadt- oder Museumsführer betätigen. Hilfreich ist darüber hinaus jedwede Zusatzqualifikation, die auf die Arbeit im Museum vorbereitet. Volontariatsanwärter mit juristischen oder betriebswirtschaftlichen Kenntnissen sind bei der Bewerbung eindeutig im Vorteil und werden es auch später im Berufsalltag leichter haben.

Ein Glücksfall

Ein besonderes Ereignis stellte der Vortrag von Henry Keazor dar, der gerade als Professor für Neuere und Neueste Kunstgeschichte an die Universität Heidelberg berufen wurde. Keazor war nach eigenen Angaben anfänglich alles andere als ein Vorzeigestudent. Er begann als Regieassistent am Theater und entschied sich nach seinem Zivildienst im Krankenhaus zunächst für das Studium der Medizin. Nebenbei hörte er Vorlesungen in den Geisteswissenschaften, studierte dann Philosophie und Germanistik und landete eher zufällig in einem kunsthistorischen Propädeutikum. Die Vielfalt der Interessen sei es gewesen, sagt er, die ihn schließlich dazu veranlasste, bei der Kunstgeschichte zu bleiben.

1996 promovierte Keazor – ebenfalls stipendienfinanziert – in Rom über den Maler Nicolas Poussin. Die Nachwirkungen des 400. Geburtsjahres des französischen Künstlers nutzend, publizierte er schon als Doktorand Artikel zu seinem Promotionsthema. Nach der Promotion verbrachte er drei Jahre als Stipendiat und wissenschaftlicher Assistent am Kunsthistorischen Institut Florenz. Weil er die Lehre vermisste und des Forschens überdrüssig wurde, brach er frühzeitig ab und wechselte an die Goethe-Universität in Frankfurt. Die nun folgende Zeit beschreibt Keazor als die beste Schule für seine wissenschaftliche Laufbahn als Dozent. Er verwaltete das Forschungsprojekt des leitenden Professors, sammelte Erfahrung im Unterrichten und habilitierte.

Nach einer einjährigen Gastprofessur in Mainz erhielt Keazor ein Heisenberg-Stipendium der Deutschen Forschungsgesellschaft. Dieses unterstützt Wissenschaftler dabei, die oft ungewisse Zeit zwischen Habilitation und Professur zu überbrücken, und ermöglichte Keazor zwei unbeschwerte Forschungsjahre. Ein Glücksfall, ohne den er sich womöglich in eine ganz andere Richtung orientiert hätte. So wurde er 2008 Professor an der Universität des Saarlandes. Das Profil des Professors hat sich in den letzten Jahrzehnten gewandelt. Nur ein sehr kleiner Anteil des Alltags ist noch der Forschung, dem Austausch mit Kollegen und der Betreuung der Studierenden gewidmet. Die universitäre Selbstverwaltung zwingt zum Beiwohnen zahlreicher Sitzungen, es gilt, Drittmittel zu beschaffen, Forschungsanträge zu stellen, Korrekturarbeiten zu erledigen und Öffentlichkeitsarbeit für das Institut zu leisten. Da viele Stellen nur befristet sind, sollte auch immer ein Plan B bereitliegen.

Bei der Frage nach der Wichtigkeit der Promotion wird Keazor sehr direkt: „Machen Sie nur etwas, das Sie auch wirklich interessiert!“ Das Ziel des Promotionsvorhabens darf niemals aus den Augen verloren werden. Auf jeden Fall sollte man ein Thema wählen, das auch Nichtspezialisten von seiner Seriosität überzeugt, denn die Promotion ist nach wie vor die akademische Visitenkarte, an der sich später vieles entscheidet. Zudem sollte die Finanzierung von Anfang an gesichert sein, am besten durch Stipendien. Der Broterwerb nebenher lenkt meist mehr als erwartet vom Forschen und Schreiben ab und gefährdet die zügige und erfolgreiche Durchführung des Projektes.

Publizieren ist dagegen heutzutage schon während des Studiums möglich. Dazu sollte man sich rechtzeitig mit seinem Vorhaben an den Herausgeber oder die Redaktion der jeweiligen Fachzeitschrift wenden, um erste Kontakte zu knüpfen und das Interesse zu wecken. Im Idealfall erhält man dann eine Einladung, den fertigen Artikel einzureichen. Einen guten Einstieg in das Publikationswesen bietet auch die Umgestaltung von Seminararbeiten zu Artikeln – etwa für studentische Zeitschriften – sowie das Verfassen von Rezensionen. Die Kunstchronik beispielsweise sucht zu diesem Zweck immer mal wieder freie Mitarbeiter und lektoriert darüber hinaus äußerst konstruktiv, berichtet Keazor.

„Das Gute liegt oft so nah“

Auch wenn die Informationen auf Veranstaltungen, die über Berufsperspektiven informieren, oft ähnlich ausfallen: Die eingeladenen Vertreter ihres Fachs sind letztlich immer andere, und jeder Werdegang kann zu neuen Einsichten in ein Berufsfeld führen. Darüber hinaus werden stets genügend allgemein anwendbare Empfehlungen geboten. So legen die Referenten dieses Abends den Studierenden einstimmig nahe, Zeit im Ausland zu verbringen. Zudem entscheidet das Bauchgefühl schon über Vieles im Voraus; man sollte auf keinen Fall einen Weg einschlagen, von dessen Erfolg man nicht zumindest am Ausgangspunkt überzeugt ist. Kapriolen erweitern oft auf ungeahnte Weise den geistigen Horizont und lenken die Ausbildung und den Karriereweg mitunter in eine ganz andere als die vorgesehene Richtung. Auch der Glücksfaktor wird an diesem Abend nicht kleingeredet, sondern spielt in allen drei Biografien eine entscheidende Rolle. Allerdings kann man ihm durchaus aktiv zuarbeiten, indem man sich rechtzeitig um das eigene Fortschreiten sorgt und sich kontinuierlich nach den sich auftuenden Möglichkeiten umsieht. Von Absagen sollte man sich nicht entmutigen lassen.

Die letzte Frage gilt der Vereinbarkeit von Beruf und Privatem. Die Referenten sind sich einig: Das Privatleben hat manchmal absolute Priorität, spätestens dann, wenn es um eine feste Stelle geht. Und in vielen Fällen landet man eben nicht dort, wo man es sich erhofft hat. Doch auch in der sogenannten Provinz gibt es genügend Möglichkeiten, etwas zu bewegen. „Mobilität ja, aber nicht um jeden Preis! Das Gute liegt manchmal tatsächlich ganz nah“, sagt Augustin zum Abschluss.

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